Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Land entzieht „Reichsbürgern“die Waffen
50 Personen betroffen, weitere 53 sollen folgen – Bayern plant ähnliche Maßnahmen
STUTTGART - Im vergangenen Jahr haben Behörden in Baden-Württemberg 50 „Reichsbürgern“die Waffen abgenommen. „Damit sind 167 erlaubnispflichtige Waffen weniger in den Händen von ,Reichsbürgern‘“, sagte Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) am Mittwoch auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Weiteren 53 Angehörigen der Szene soll die Erlaubnis zum Tragen von Waffen in den kommenden Wochen entzogen werden. Die Betroffenen müssen die Waffen abgeben oder bescheinigen, dass sie diese sachgemäß entsorgt oder weiterverkauft haben. Sonst werden die Waffen von den Behörden beschlagnahmt.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann will Strobls Vorbild folgen und auch im Freistaat „Reichsbürger“entwaffnen. Wann immer sich herausstelle, dass sich jemand als ein sogenannter Reichsbürger ausgebe, werde dieser sofort im Waffenregister überprüft, erklärte der CSU-Politiker am Mittwoch. Stelle sich heraus, dass die Person Waffen besitze, drohe umgehend der Entzug des Waffenscheins.
„Reichsbürger“und „Selbstverwalter“weigern sich, die Gesetze der Bundesrepublik anzuerkennen. Seit Herbst 2016 stehen sie im Fokus des Verfassungsschutzes. Damals hatte ein „Reichsbürger“in Franken einen Polizisten erschossen.
In Baden-Württemberg hat der Verfassungsschutz bislang 2500 Angehörige der Szene unter Beobachtung, in Bayern sind es 3850. In beiden Ländern laufen die Überprüfungen jedoch noch. Wie viele Szeneangehörige einen Waffenschein besitzen, ist unklar. Deutschlandweit haben laut Medienberichten rund 1200 sogenannte Reichsbürger einen Waffenschein.
Die Polizeigewerkschaften loben Strobls Schritt. „Reichsbürger“seien zunehmend gewaltbereit, die Maßnahme schütze Polizisten und Angestellte von Behörden. Lob kam auch vom grünen Regierungspartner. „Gegen Gruppen, die unserer Verfassung die Gültigkeit absprechen, Gewalt gegen Vertreter öffentlicher Institutionen ausüben und Behörden und Justiz schikanieren, muss der Rechtsstaat mit voller Härte durchgreifen“, sagte deren Landtagsabgeordneter Alexander Maier.
STUTTGART - 50 „Reichsbürger“, 167 Waffen: Das ist die Zwischenbilanz einer Entwaffnungsaktion des baden-württembergischen Innenministeriums. Den Betroffenen wurde außerdem der Waffenschein entzogen, bei weiteren 53 läuft das Verfahren noch. Bayern will nun nachziehen.
Im Januar 2017 hatte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) einen Erlass an alle Landkreise herausgegeben. Er erlaubte es den Waffenbehörden, bekannten „Reichsbürgern“oder „Selbstverwaltern“die Waffenscheine zu entziehen. Wer laut Landesamt für Verfassungsschutz der Szene angehört, gilt seither als nicht zuverlässig genug, um eine Waffe zu tragen.
Entwaffnung geht weiter
Damit schuf Strobl die Rechtsgrundlage für die Entwaffnungsaktion. Diese läuft seit Februar 2017. Der Verfassungsschutz arbeitet dabei mit den Landkreisen zusammen, um „Reichsbürger“zu identifizieren und zu prüfen, ob diese Waffen besitzen. „Gleichwohl handelt es sich nur um eine Zwischenbilanz. Die Waffenbehörden erhalten laufend neue Erkenntnisse, und leiten weitere Ermittlungen und Verfahren ein“, sagte Strobl.
„Reichsbürger“und „Selbstverwalter“lehnen die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland ab. Viele geben zum Beispiel ihre Pässe zurück, zahlen keine Bußgelder und stören Gerichtsprozesse. Seit 2016 werden sie vom Verfassungsschutz beobachtet. Damals erschoss im fränkischen Georgensgmünd ein Angehöriger der Szene einen Polizeibeamten. Baden-Württembergs Behörden zählen derzeit 2500 „Reichsbürger“und „Selbstverwalter“. Wie viele Innenminister Thomas Strobl (CDU) hält „Reichsbürger“grundsätzlich für ungeeignet, eine Waffe zu besitzen. von ihnen überhaupt Waffen besitzen, ist nicht bekannt.
Seit 2017 werden Straftaten dieser Szene gesondert erfasst. BadenWürttembergs Innenministerium zählte im vergangenen Jahr 77 Delikte, davon 22 Nötigungen und jeweils zwölf Gewalttaten und Beleidigungen. Der Trend für das erste Quartal 2018 sei rückläufig, so ein Sprecher.
Die Aktion ist auch aus Sicht der Landkreise ein Erfolg. „Wir bekommen dazu nur positive Rückmeldungen von unseren Mitgliedern“, sagt Tim Gerhäusser, Dezernent beim Landkreistag. Die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz laufe gut. Die Landratsämter haben auch ihre eigenen Erfahrungen mit den Gegnern der Bundesrepublik. Diese überziehen Behörden mit Beschwerden und Widersprüchen. In den harmloseren Fällen geschieht dies schriftlich. Laut dem Landeskriminalamt tauchen „Reichsbürger“aber zunehmend in Amtsstuben auf, bedrohen Mitarbeiter und randalieren.
Gewerkschaften begrüßten Strobls Vorgehen. Hans-Jürgen Kirstein von der Gewerkschaft der Polizei sagte: „Waffen gehören grundsätzlich nicht in die Hände von Bürgern, das macht nur Probleme – das sehen wir leider in den USA.“Erst recht dürften gewaltbereite „Reichsbürger“keine Waffen tragen. Es sei ohnehin erschreckend, wie viele Menschen deren Lehren folgten und die Demokratie ablehnten.
Sein Kollege Ralf Kusterer von der Deutschen Gewerkschaft der Polizei lobte Strobls Kurs ebenfalls: „Wir haben seit Langem Probleme mit den ,Reichsbürgern‘, die sind zum Teil hochgefährlich.“Die Entwaffnung sei daher ein Schritt in die richtige Richtung.
Einlasskontrollen an Gerichten
Auch Gerichte stehen deshalb vor Problemen. Mittlerweile lernen Richter und Gerichtsmitarbeiter in Kursen, wie sie störenden „Reichsbürgern“bei Verhandlungen begegnen. Außerdem hat Justizminister Guido Wolf (CDU) mehr Wachtmeister eingestellt, die an Gerichten für Sicherheit sorgen. „Mittlerweile kennen wir die entsprechenden Personen und veranlassen deshalb entsprechende Einlasskontrollen vor Verhandlungen“, sagte Matthias Grewe, Vorsitzender des Landesrichterbundes. Es gebe immer mehr Prozesse gegen „Reichsbürger“.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte am Dienstagabend angekündigt „Reichsbürgern“künftig ebenfalls die Waffenscheine zu entziehen. Wie viele „Reichsbürger“in Bayern derzeit im Besitz von Waffen seien, darüber lägen ihm keine Zahlen vor. Der Szene werden im Freistaat 3850 Personen zugeordnet.