Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Druck auf Bamf-Leiterin Cordt nimmt zu
Innenminister Seehofer verbietet Bremer Außenstelle weitere Asylentscheidungen
BREMEN (dpa) - In der Affäre um das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (Bamf) hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) der Bremer Außenstelle der Behörde bis auf Weiteres verboten, über Asylanträge von Flüchtlingen zu entscheiden. Mehr als 1200 Menschen sollen dort zwischen 2013 und 2016 Asyl ohne ausreichende rechtliche Grundlage erhalten haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt deshalb gegen die frühere Leiterin und fünf weitere Verdächtige. Seehofer hat außerdem angeordnet, die Zahl der für Qualitätssicherung zuständigen BamfMitarbeiter von 20 auf 100 Mitarbeiter zu erhöhen.
Am Freitag wird eine Delegation des Innenministeriums in Bremen erwartet. Dabei sein soll auch Jutta Cordt, die in die Kritik geratene Bamf-Präsidentin. Der Druck auf Cordt steigt. Andrea Lindholz (CSU), die Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, stellte am Mittwoch die Zukunft der Behördenleiterin infrage. „Der Vertrauensverlust ist enorm. Das sage ich ganz klar“, sagte sie bei Focus Online auf die Frage, ob die Präsidentin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge noch tragbar sei. „Wir brauchen da jemanden, dem man einfach vertrauen kann.“
Am kommenden Dienstag müssen sowohl Seehofer als auch Cordt im Innenausschuss Rechenschaft ablegen.
In der Affäre um das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (Bamf) muss jetzt auch die Behördenchefin Jutta Cordt um ihr Amt kämpfen – und muss sogar Ermittlungen der Staatsanwaltschaft fürchten. Auch Bundesinnenminister Seehofer schließt „personelle Konsequenzen“aus der Affäre nicht aus.
Die aus dem Ruhrgebiet stammende 54-Jährige ist seit Anfang 2017 Präsidentin des Bamf. Zuvor war Cordt unter anderem als Abteilungsleiterin für Arbeitsvermittlung und -beratung im Arbeitsamt in Ravensburg tätig. Ihre Karriere begonnen hatte Cordt nach Abschluss ihres Jurastudiums Anfang der 1990er-Jahre beim Landesarbeitsamt NordrheinWestfalen. Später arbeitete sie in Führungspositionen für mehrere Behörden, die mit dem Arbeitsmarkt befasst sind. Dass sie ins Bamf wechselte, lag an Frank-Jürgen Weise: Ihr inzwischen pensionierter Vorgänger hatte 2015, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, neben der Leitung der Bundesagentur für Arbeit auch die des Bamf übernommen.
Weise kannte Cordt seit vielen Jahren und warb sie zunächst als seine Stellvertreterin an. Er verteidigt seine Nachfolgerin dieser Tage energisch gegen die aktuelle Kritik. Unter Cordts Führung bearbeitete das Bamf deutlich mehr Asylanträge als zuvor. Doch während früher die zu lange Dauer der Verfahren kritisiert wurde, kam nun Kritik am zu hohen Tempo auf. Flüchtlingshelfer, Rechtsanwälte und manche Politiker bemängeln, dass die hohe Schlagzahl bei den Asylverfahren faire Verfahren gefährde. Die „Süddeutsche Zeitung“konfrontierte Cordt schon im November damit, dass in manchen Bundesländern deutlich mehr Bewerber Asyl erhielten, als in anderen. Cordt sagte damals: „Es gibt nichts, was auf Unregelmäßigkeiten hindeutet“. Wie später herauskam, hatte sie zu dieser Zeit aber längst die Innenrevision damit beauftragt, die Bremer Bamf-Außenstelle zu prüfen.
Cordt sei extrem pflichtbewusst, fleißig und durchsetzungsstark, heißt es in einem Porträt der „Augsburger Allgemeinen“aus dem Jahr 2016. Corinna Konzett und AFP Im Bamf-Skandal gerät auch die Behördenchefin Jutta Cordt unter Beschuss.