Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Deutsche Bank soll 10 000 Jobs abbauen
Bank-Chef Sewing will rund 10 000 Stellen – vor allem im Investmentbanking – streichen
FRANKFURT (dpa) - Die Deutsche Bank plant nach Informationen des „Wall Street Journal“, nahezu 10 000 Jobs zu streichen. Damit wäre etwa jeder zehnte der 97 100 Mitarbeiter betroffen. Deutschlands größtes Bankhaus wollte den Bericht am Mittwoch, am Tag vor der Hauptversammlung in Frankfurt, nicht kommentieren. Allerdings hatte der neue Bank-Chef Christian Sewing bereits drastische Einschnitte im Investmentbanking angekündigt, um die Kosten zu senken.
FRANKFURT (dpa) - Mit dem Abbau von nahezu 10 000 Jobs will die Deutsche Bank nach Informationen des „Wall Street Journal“ihre Kosten deutlich senken. Damit wäre etwa jeder zehnte der insgesamt 97 100 Mitarbeiter betroffen, schrieb das Blatt. Vorausgegangen seien monatelange Diskussionen um den Umfang des Stellenabbaus. Deutschlands größtes Bankhaus wollte den Bericht am Mittwoch, einen Tag vor der Hauptversammlung, nicht kommentieren.
Der neue Bank-Chef Christian Sewing hatte bereits drastische Einschnitte im Investmentbanking angekündigt, das zur Bürde für das Frankfurter Geldhaus geworden ist. Hinzu kommt die Fusion der Deutschen Bank mit der Postbank. Auch dabei könnten zahlreiche Stellen wegfallen. In den kommenden vier Jahren sollten jeweils 1500 Mitarbeiter über freiwillige Abfindungsprogramme und natürliche Fluktuation das Unternehmen verlassen, hatte es in Berichten geheißen.
Kern der Bank „neu definieren“
Sewing, der seit Anfang April an der Spitze der Bank steht, hatte nach einem mageren ersten Quartal das Tempo beim Konzernumbau erhöht. „Wir werden den Kurs unserer Bank jetzt ändern. Es gibt keine Zeit zu verlieren“, hatte er bei der Präsentation der Zwischenbilanz gesagt. Die Ergebnisse des ersten Quartals erforderten sofortiges Handeln. Der Kern der Bank müsse „neu definiert“werden.
Praktisch alle Chefs der Deutschen Bank seit Ende der 1990er-Jahre hatten das Heil im Investmentbanking gesucht. Das Institut sollte im Konzert der globalen Bankkonzerne die erste Geige spielen. Am augenfälligsten wurde das 1999 mit der Milliardenübernahme der Wall-StreetBank Bankers Trust, womit die Frankfurter mit einem Schlag zu einem der großen Spieler auf dem USMarkt wurden.
Das Geschäft rund um die Kapitalmärkte war viele Jahre die Gewinnmaschine der Deutschen Bank. Der Bruch kam mit der großen Krise, die 2008 um ein Haar zum Kollaps des globalen Finanzsystems führte und die Weltwirtschaft an den Rande des Abgrunds brachte. Seitdem entwickelte sich das Kapitalmarkgeschäft und Investmentbanking zum Problemfeld der Deutschen Bank.
Inzwischen hat das Institut im Investmentbanking Marktanteile verloren, insbesondere an die USKonkurrenz. Zudem sind die Kosten im Branchenvergleich sehr hoch. In Sewings Umbauplan wird deshalb das USHandelsgeschäft mit Anleihen und voraussichtlich auch mit Aktien am heftigsten beschnitten. Mit der Reduzierung des schwierigen USGeschäfts setzt Sewing eine Forderung namhafter Analysten um.
Kritik vom Chefvolkswirt
Anfang der Woche war der Chefvolkswirt des Instituts mit der früheren Bank-Führung hart ins Gericht gegangen. „Die harte Wahrheit ist, dass fundamentale, strategische Entscheidungen des Managements und des Aufsichtsrates in der Zeit von Mitte der neunziger Jahre bis 2012 die Bank in diese Lage gebracht haben“, sagte David Folkerts-Landau dem „Handelsblatt“.
Das Hauptproblem aus seiner Sicht: Die damaligen Vorstandschefs hätten eine unkontrollierte Expansion im Kapitalmarktgeschäft eingeleitet, unter deren Folgen die Bank bis heute leide. „Die Führung der Bank überließ seit Mitte der 1990er Jahre die operative und strategische Kontrolle des Kapitalmarktgeschäfts den Händlern“, analysiert der Chefökonom. „Dadurch schlug die Bank eine Richtung ein, die uns nahezu zwangsläufig dahin führen musste, wo wir heute stehen.“Bremsen müssen hätte die Führung der Bank. Doch unter Breuers Nachfolger, Josef Ackermann – Vorstandschef von 2002 bis 2012 – habe das Wachstum der Investmentbank oberste Priorität gehabt.
Folkerts-Landau sieht in der Berufung Sewings einen „epochalen Wandel“. Nach 16 Jahren sei wieder ein Deutscher Chef der Deutschen Bank.
Sewing, der fast sein ganzes Berufsleben in der Deutschen Bank verbracht hat, war in einer Krisensitzung des Aufsichtsrates am 8. April mit sofortiger Wirkung zum Nachfolger des seit Sommer 2015 amtierenden John Cryan ernannt worden. Die Bank schrieb zuletzt drei Jahre in Folge rote Zahlen – allerdings auch deshalb, weil Cryan teure juristische Altlasten bereinigte. Skandale wie die Manipulation von Referenzzinssätzen oder fragwürdige Deals rund um amerikanische Hypothekenpapiere kosteten die Frankfurter Milliarden. Kritiker hielten dem Briten jedoch vor, beim Konzernumbau zuletzt zu zögerlich agiert zu haben.
Im ersten Quartal verdiente das Geldhaus unter dem Strich 120 Millionen Euro nach 575 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Die Erträge sanken zum Vorjahreszeitraum um fünf Prozent auf knapp sieben Milliarden Euro.
Auf der Hauptversammlung an diesem Donnerstag in Frankfurt dürfte allerdings weniger die Vergangenheit von Deutschlands größtem Bankhaus als die Arbeit von Aufsichtsratschef Paul Achleitner im Fokus stehen. Einflussreiche Stimmrechtsberater haben kritische Fragen an die Adresse des seit Juni 2012 amtierenden Chefkontrolleurs angekündigt.