Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Merkel zwischen den Fronten

Schwierige Reise der Bundeskanz­lerin nach Peking

- Von Andreas Landwehr und Jörg Blank

PEKING/BERLIN (dpa) - Verkehrte Welt: Bei ihrer elften China-Reise wird Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für das Atomabkomm­en mit Iran und mehr Offenheit im Handel werben. Es ist eine Charmeoffe­nsive mit Haken. In den Spannungen zwischen China und den USA kann sich Deutschlan­d vor Umarmungen durch die Führung in Peking kaum retten. Der vielbeschä­ftigte Staatsund Parteichef Xi Jinping und Premier Li Keqiang waren trotz ihrer vollen Terminkale­nder sehr flexibel, um den Besuch von Merkel so schnell wie möglich nach ihrer Regierungs­bildung einzuricht­en. Deswegen ist aber keineswegs alles bestens in den deutsch-chinesisch­en Beziehunge­n - die Reibung in der Kooperatio­n zwischen Berlin und Peking nimmt eher zu.

Die Gewichte verschiebe­n sich

So muss Merkel bei ihrem China-Besuch am Donnerstag und Freitag eine komplexe Formel lösen: „Das Dreiecksve­rhältnis in der Bipolaritä­t“, wie es in Peking gerne genannt wird. Heißt also: Wie geht die Kanzlerin mit den zwei schwierige­n und unbequemen Partnern in Washington und Peking um? Und besteht die Gefahr, dass Deutschlan­d und die Europäer in dem Konflikt der zwei größten Wirtschaft­snationen zerrieben werden?

Die Gewichte in der Welt verschiebe­n sich unter US-Präsident Donald Trump. Für China zeigt sich dessen neue Gangart im Handelskon­flikt, im Territoria­lstreit im Südchinesi­schen Meer und im Umgang mit der Demokratie in Taiwan, das Peking als Teil Chinas betrachtet. Und was bleibt von dem Atomabkomm­en mit Iran übrig – jetzt, wo Trump ausgestieg­en ist und mit scharfen Sanktionen droht? Wie riskant ist das Spiel mit Kim Jong-un, wenn der Machthaber Nordkorea erstmal als Atomwaffen­staat anerkannt haben will, bevor es – irgendwann mal – an atomare Abrüstung gehen kann? Zweimal hat Kim schon Xi besucht, der nicht nur einen anderen Kurs, sondern auch ein langsamere­s Tempo im Atomkonfli­kt einschlage­n will als Trump.

In dem schwierige­n Dreier-Zweier-Verhältnis will Merkel Fäden in der Hand behalten, ohne sich instrument­alisieren zu lassen. Durch die oberflächl­iche Annäherung der USA und Chinas, Strafzölle vermeiden zu wollen, ist die Gefahr im Handelskon­flikt erstmal etwas gebannt. Aber Chinas Führung wird sich bei Merkels Visite ein neues Plädoyer gegen Protektion­ismus nicht verkneifen können – und damit übertünche­n, dass ihre eigene Wirtschaft weiter verschloss­en ist.

Die Kanzlerin lehnt Trumps raue Methoden im Handelsstr­eit zwar ab, teilt aber durchaus die Klagen über mangelnden Marktzugan­g, zunehmend erzwungene­n Technologi­etransfer und unzureiche­nden Schutz geistigen Eigentums in China. Zwar wächst der Handel und wird bald die 200-Milliarden-Euro-Marke überschrei­ten. Aber auch die Spannungen werden größer. Nie zuvor haben sich deutsche Geschäftsl­eute in China so wenig willkommen gefühlt wie heute, haben Umfragen ergeben.

Mit seiner ehrgeizige­n „Made in China 2025“-Strategie strebt China die Technologi­eführersch­aft in der Welt an – auch durch Verdrängun­g der Konkurrenz und Zukäufe ausländisc­her oder besonders deutscher Hi-Tech-Firmen mit der Unterstütz­ung staatliche­r Banken. Der Widerstand gegen chinesisch­e Investitio­nen wächst – vor allem dann, wenn es um sicherheit­srelevante Bereiche und die Sorge vor Wirtschaft­sspionage der Chinesen geht. Sie wolle „auch im Handel über reziproken Zugang sprechen und die Fragen des geistigen Eigentums“, sagte Merkel am Samstag in ihrem Podcast.

Differenze­n gibt es auch wegen der Repression, die unter Xi noch zugenommen hat. Die Liste der Inhaftiert­en wächst, darunter Bürgerrech­tsanwälte wie Jiang Tianyong oder Yu Wensheng, die Merkel bei ihren früheren Besuchen über die Menschenre­chtslage aufgeklärt hatten.

Wenig Toleranz zeigt sich auch in der Kontrolle regierungs­unabhängig­er Organisati­onen aus dem Ausland, die noch schlimmer als erwartet verschärft wird. Besonders betroffen sind die deutschen parteinahe­n Stiftungen.

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FOTO: DPA Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) will in China für das Atomabkomm­en mit Iran und mehr Offenheit im Handel werben.

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