Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Eine komplizierte Schwesternbeziehung
Schwedischer Film „Euphoria“ist ein diffuses Psychodrama zum heiklen Thema Sterbehilfe
Für die letzte Ausstellung der Künstlerin Ines gab es Verrisse. Von ihrer Schwester Emilie darauf angesprochen, bleibt sie relativ unberührt: Wenigstens habe sie ein Gefühl erzeugt. Um Gefühlsproduktion im weitesten Sinn geht es in dem Film der schwedischen Regisseurin Lisa Langseth, dessen Titel „Euphoria“jedoch absichtsvoll eine falsche Fährte legt. Die Emotionen sind hitzig, aber kaum überschwänglich.
Was wie eine Urlaubsreise beginnt – gutes Hotel, eine Fahrt ins Grüne – findet sein Ziel überraschend in einer luxuriösen klinischen Einrichtung für Sterbehilfe. Es dauert eine Weile, bis Künstlerin Ines (Alicia Vikander) begriffen hat, wohin ihre schwer krebskranke Schwester Emilie (Eva Green) sie da geführt hat. Menschen in kimonoartigen Roben wandeln in einem paradiesischen Garten umher, der Umgang ist auf fast schon penetrante Weise milde und behutsam, die Atmosphäre wie in Watte gepackt. Zudem strahlen die in Sonnenlicht getränkten Bilder, die der „Ex Machina“-Kameramann Rob Hardy fotografiert hat, eine nahezu bedrohliche Atmosphäre aus. Der Zuschauer würde sich kaum wundern, wenn hier ein Sektendrama beginnen würde. Stattdessen bleiben den Schwestern noch sechs Tage, um zu klären, wofür die Zeit eines halben Lebens nicht gereicht hat.
Anklänge an Ingmar Bergman
Wo genau Regisseurin Langseth mit ihrem Film hinwill, lässt sich bei dem diffusen Gemisch von Psychodrama und unreflektiertem Sterbehilfeentwurf schwer sagen. Es gibt entfernte Anklänge an Ingmar Bergmans „Schreie und Flüstern“von 1972: die tödliche Erkrankung, der abgelegene Ort, die Schwesternkonstellation, die Vermischung von physischem mit seelischem Leid. Zwischen der expressiven Emilie und der kontrollierten Ines brechen alte Wunden auf, es kommt zu Bekenntnissen, Schuldzuweisungen und sogar zu einer Prügelei. Es fließen Tränen der Wut, der Trauer und schließlich der Versöhnung.
Immer wieder deutet der Film eine Kritik an der Wohlstandsgesellschaft an, konkret an der Sterbehilfe im Gewand eines Luxus-Spas. Allerdings läuft dieser Ansatz schon bald ins Leere. Auch die Anklänge an Satire und Psychothriller – sofern sie denn überhaupt als solche gedacht waren – werden nicht weiterverfolgt. Die Konflikte der Schwestern kreisen wiederum auf wenig spezifische Weise um Schuld, Fürsorge und Verantwortung, wobei ihre finale Versöhnung den Begriff Katharsis nicht annähernd ausfüllen kann. (KNA)
„Euphoria“, Regie: Lisa Langseth, Schweden/Deutschland 2017, 104 Minuten, freigegeben ab zwölf Jahren, mit Eva Green, Alicia Vikander.