Schwäbische Zeitung (Tettnang)
„Frauen nicht zu besseren Männern machen“
Vaude-Chefin Antje von Dewitz zu Gast bei Podiumsdiskussion „Starke Frauen“
RAVENSBURG/OBEREISENBACH Welche Rollen spielen Frauen in unserer Wirtschaft? Das Wirtschaftsmuseum Ravensburg und die Kontaktstelle Frau und Beruf hatten vier Frauen aus der Region zu einer Podiumsdiskussion zu diesem Thema eingeladen – das Interesse war riesig. Sparkassenvorstand Heinz Pumpmeier konnte über 170 Zuhörer in der Ravensburger Kreissparkasse begrüßen. Die Moderation der Veranstaltung übernahm Susanne Hinzen, Vorstand der Erwin-Hymer-Stiftung.
Ein Merkmal zeichnet alle vier geladenen erfolgreichen Frauen aus: Schon seit frühester Jugend haben sie sich im Ehrenamt engagiert. Für Anne Schmieder war das der Einstieg in ihr erfolgreiches Berufsleben. „Das Ehrenamt war mein Sprungbrett, das kann ich jedem empfehlen“, sagte sie. Die heutige IHK-Vizepräsidentin machte sich nach zwölf Jahren Hausfrau und Mutter selbstständig und führt nach 30 Jahren drei Unternehmen mit rund 350 Mitarbeitern.
Keinen einfachen Start in das eigene Familienunternehmen hatte Antje von Dewitz. Am Tag ihrer offiziellen Anstellung erfuhr sie, dass sie schwanger war. Nun galt es, Kind und Beruf miteinander zu verbinden – das Baby war bei Besprechungen immer mit dabei. Als Geschäftsführerin des Outdoor-Ausrüsters Vaude hat sie ihr Unternehmen verändert. Die Frauenquote liegt bei 45 Prozent. „Wir können uns nicht leisten, auf wertvolle Kompetenzen zu verzichten, nur weil wir Frauen nicht den passenden Rahmen für eine berufliche Karriere bieten“, ist sie überzeugt.
Sonja Hummel ist Integrationsbeauftragte in Aulendorf. Sie beschäftigte sich während ihres Studiums mit dem Thema „Solidarische Landwirtschaft“(Solawi) und hat den Anstoß zur Gründung mehrerer Solawis in der Region gegeben. Sie berichtete von ihren Bewerbungsversuchen zu einer Schreinerausbildung. „Das ist nichts für Frauen, da muss man schwer tragen“, bekam sie unter anderem zu hören. Nach zwei Praktika bekam sie eine Ausbildungsstelle.
Claudia Wiepcke ist Professorin für Ökonomische Bildung an der Pädagogischen Hochschule in Weingarten. Sie berichtete von Studien, nach denen Frauen im Beruf doppelt so viel arbeiten müssen, um den gleichen Erfolg wie Männer zu haben. Die gut bezahlten Berufe sind von Männern besetzt, prekäre Berufe meist von Frauen. Nur jedes zehnte Unternehmen wird von einer Frau übernommen. Wiepke sagte, dass zum Beispiel zu Beginn ihrer Partnerschaft Paare durchaus gleichberechtigte Ziele haben. Nach der Geburt des ersten Kindes kippt dann oft das Verhältnis in traditionelle Rollen.
Das Umfeld muss stimmen
Wiepke ist überzeugt: „Wenn eine Frau Ziele im Leben hat, kann sie sie in Deutschland erreichen.“Dazu muss das Umfeld stimmen. Die Familie spielt eine große Rolle, aber auch das gesellschaftliche Umfeld. Wichtig sei, dass gleiche Grundbedingungen geschaffen werden, zum Beispiel geschlechtergerechter Unterricht in der Schule. Die gesamte Gesellschaft sei gefordert, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen. „Wir brauchen mehr Rollenvorbilder“, sagte dazu von Dewitz. „Auch müssen wir die individuellen Stärken fördern und nicht die Frauen zu besseren Männern machen.“
Den Weg gehen, ohne sich entmutigen zu lassen. Selbst über seinen Weg entscheiden. Das sind einige Faktoren, die starke Frauen auszeichnen. „Man muss in sich hineinhören. Jeder Mensch hat ein Talent und den Weg muss er gehen. Wenn man das Richtige gefunden hat, ist man auch erfolgreich“, so Schmieder. Nur in einem Punkt hatten die Frauen unterschiedliche Ansichten. Während sich von Dewitz für die Frauenquote aussprach, ist Schmieder überzeugt: „Die eigene Leistung zählt. Wir haben nichts davon, wenn besser qualifizierte Männer nur wegen der Quote durchs Raster fallen.“Zum Ende der Diskussion führte von Dewitz noch einen interessanten Aspekt an: „Es gibt einen großen Pool gut ausgebildeter Frauen – mehr als Männer. Die Frage ist, wo sind sie abgeblieben?“