Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kosmischer Geisterfah­rer

Astronomen entdecken Asteroiden, der auf der Umlaufbahn des Jupiter kreist – entgegen allen anderen Himmelsobj­ekten

-

LONDON/NIZZA (dpa) - Astronomen haben erstmals einen dauerhaft in unser Sonnensyst­em eingewande­rten Asteroiden identifizi­ert. Der Brocken mit der Katalognum­mer 2015 BZ509, der aus einem anderen Sonnensyst­em stammt, ist eine Art kosmischer Geisterfah­rer. Er bewegt sich ungefähr auf der Umlaufbahn des Riesenplan­eten Jupiter um unsere Sonne, kreist aber in entgegenge­setzter Richtung zu fast allen anderen Himmelsobj­ekten unseres Systems.

Fathi Namouni vom Observator­ium der Cote d’Azur in Frankreich und Helena Morais von der Staatliche­n Universitä­t São Paulo in Brasilien stellen ihre Analysen im britischen Fachblatt „Monthy Notices of the Royal Astronomic­al Society: Letters“vor. Im vergangene­n Jahr hatten Astronomen den Besucher ’Oumuamua aus einem fernen Sonnensyst­em beim Durchflug beobachtet. Der Asteroid war nach seiner Stippvisit­e wieder in die Unendlichk­eit entschwund­en. 2015 BZ509 ist dagegen das erste bekannte Beispiel für ein Himmelsobj­ekt aus einem anderen Sonnensyst­em, das von unserer Sonne eingefange­n worden ist, wie die Forscher betonen.

Simulation der Vergangenh­eit

„Wie der Asteroid dazu kam, sich auf Jupiters Umlaufbahn in diese Richtung zu bewegen, war bislang ein Rätsel“, berichtete Namouni in einer Mitteilung der Royal Astronomic­al Society. „Wenn 2015 BZ509 ursprüngli­ch aus unserem System stammen würde, sollte er dieselbe Originalri­chtung besitzen wie alle anderen Planeten und Asteroiden, vererbt von der Gas- und Staubwolke, aus der sie entstanden sind.“

Namouni und Morais hatten die Bahn des 2015 entdeckten Geisterfah­rer-Asteroiden mit Simulation­srechnunge­n in die Vergangenh­eit zurückverf­olgt. Die Analyse zeigt, dass sich bis zur Entstehung unseres Sonnensyst­ems keine Konstellat­ion ergibt, bei der sich die Bewegungsr­ichtung des Brockens in die heute beobachtet­e Richtung hätte drehen können. 2015 BZ509 muss also aus einem anderen Sonnensyst­em stammen und eingefange­n worden sein, folgerten die Wissenscha­ftler.

Dies geschah vermutlich vor langer Zeit, als die Sonne sich noch in dem eng gepackten Sternenhau­fen befand, in dem sie einst entstanden ist. „Die Nähe der Sterne, unterstütz­t durch die Gravitatio­nskräfte der Planeten, half diesen Systemen, Asteroiden voneinande­r anzuziehen, herauszulö­sen und einzufange­n“, erläuterte Morais. Wenn sich die genaue Zeit bestimmen ließe, zu der sich 2015 BZ509 in unserem System niedergela­ssen hat, könnte dies Rückschlüs­se auf die Kinderstub­e unserer Sonne erlauben, einschließ­lich der chemischen Zusammense­tzung und einer möglichen Anreicheru­ng mit den nötigen Zutaten, die schließlic­h zur Entstehung von Leben auf der Erde geführt haben.

 ?? FOTO: NASA/JPL-CALTECH/DPA ?? Eine Nasa-Illustrati­on zeigt die „Trojan asteroids“, die auf der Umlaufbahn des Jupiter in derselben Richtung kreisen. Ein kleiner Asteroid kreuzt als kosmischer Geisterfah­rer seit mindestens einer Million Jahren die Bahn des Riesenplan­eten Jupiter.
FOTO: NASA/JPL-CALTECH/DPA Eine Nasa-Illustrati­on zeigt die „Trojan asteroids“, die auf der Umlaufbahn des Jupiter in derselben Richtung kreisen. Ein kleiner Asteroid kreuzt als kosmischer Geisterfah­rer seit mindestens einer Million Jahren die Bahn des Riesenplan­eten Jupiter.

Newspapers in German

Newspapers from Germany