Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Alles auf Anfang
Für Trump sind die Wirrungen um mögliches Gipfeltreffen „Spiele“
SEOUL/WASHINGTON - Donald Trump, Solist und Spieler der Weltpolitik. Die abrupte Absage des Gipfels mit Nordkorea bringt dem USPräsidenten harsche Kritik ein – da deutet dieser schon wieder Verhandlungsbereitschaft an. Mit seinem Schlingerkurs brüskiert Trump auch den Verbündeten Südkorea: Präsident Moon Jae-in hatte sich besonders stark für ein erfolgreiches Treffen zwischen Trump und dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jongun eingesetzt.
Immerhin, Washington und Pjöngjang lassen die Tür für einen Dialog offen. Das gibt den Menschen in der Region Anlass zur Hoffnung. Auf der anderen Seite ist die Sorge groß, dass die Spannungen im Streit um das nordkoreanische Atomprogramm wieder schärfer werden.
Noch wird analysiert, was Trump bewogen haben könnte, den für den 12. Juni in Singapur geplanten Gipfel so plötzlich abzusagen – wenn auch nicht ganz überraschend. Zuletzt hatten sich auf beiden Seiten die Zweifel gemehrt, dass die Gespräche einen Erfolg bringen könnten.
„Keine schlüssige Strategie“
Das Weiße Haus gab Nordkorea die Schuld. Die USA wollten von Nordkorea zuletzt einen sofortigen, überprüfbaren und nachhaltigen Abbau seines Atomprogramms. Nordkorea sah eher eine Lösung des Streits in Schritten vor – ein Ansatz, der schon vor Jahren diskutiert wurde und letztlich gescheitert ist.
„Beide Seiten haben keine schlüssige Strategie gehabt“, sagt der Leiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul, Lars-André Richter. So ein Gipfel sei von besonderer Tragweite und müsste nach einhelliger Meinung diplomatischer Kenner ein bis zwei Jahre vorbereitet werden. „So ein Gipfel hat Charme, aber beide Seiten müssen letztlich kapiert haben, das ist nicht nur eine Chance, sondern das kann auch nach hinten losgehen“, sagte Richter. Schließlich hätten beide wohl Angst vor der eigenen Courage gehabt.
Immerhin gibt es jetzt für beide Seiten eine Denk- und Atempause, um die nächsten Schritte zu erwägen. Auch in Pjöngjang dürfte der eine oder andere nicht unglücklich sein über die Entwicklung, meint Richter. Denn so abrupt die Absage war, so überraschend fiel die Reaktion Nordkoreas darauf aus. Statt scharfer Verbalattacken gegen einzelne US-Regierungsmitglieder, wie sie die kommunistische Führung zuletzt ausgeteilt hatte, gab es am Freitag eher versöhnlichere Töne. Der Erste Vizeaußenminister Kim Kyegwan beteuerte in einer Erklärung, Nordkorea sei weiter zu Verhandlungen bereit.
Trump selbst reagierte am Freitag geradezu milde. Per Twitter dankte er für das „warme und produktive Statement“aus Nordkorea, hoffentlich führe es zu langem und anhaltendem Wachstum und Frieden.
Wenig später stand ein fröhlicher Trump auf dem Rasen vor dem Weißen Haus. Wer weiß, vielleicht finde das Treffen ja doch am 12. statt, sagte er sonnigen Gemüts, den wartenden Helikopter im Rücken. Und fügte hinzu: „Jeder spielt Spiele.“Nicht nur angesichts der Lage mit Nordkorea müssen nicht alle einen solchen Satz beruhigend finden.
Druck und Schmeicheleien
In den USA fielen die Reaktionen auf Trumps Absage großteils vernichtend aus. Dies sei die Stunde der Amateure, twitterte Susan Rice, die Sicherheitsberaterin Barack Obamas. „Von Anfang bis Ende war es eine lange ‚Amateur Hour‘“. Der Korea-Experte Victor Cha, einst im Nationalen Sicherheitsrat George W. Bushs zuständig für Asien, spricht von einem Mann, der geglaubt habe, dass für ihn andere Regeln gelten. Durch eine Mischung aus Druck und Schmeicheleien habe Trump wohl geglaubt, Kim über Nacht zu etwas bringen zu können, wozu der Diktator so schnell nicht bereit sei – zur Verschrottung seines atomaren Arsenals. „Und das passiert dann, wenn man sich zu früh auf einen Gipfel einlässt“, kommentiert Cha, was er einen fatalen Mangel an gründlicher Vorbereitung nennt.
Wieder andere werfen Trump vor, die Rolle persönlicher Beziehungen zu überschätzen, statt nüchtern anzuerkennen, dass es in erster Linie objektive Interessen sind, die das Handeln von Staatenlenkern bestimmen. „Er ist mein Freund, ich verstehe mich wirklich gut mit ihm“, sagt er über Xi Jinping, seinen chinesischen Amtskollegen. Doch die Hoffnung, Xi werde Kim gleichsam im Duett mit ihm zur nuklearen Abrüstung zwingen, entpuppte sich als frommer Wunsch.