Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Im Kampf gegen Barrieren
Freddy Pfleiderer sitzt im Rollstuhl und will, Hindernisse aus dem Weg zu räumen
FRIEDRICHSHAFEN - Freddy Pfleiderer liebt es, draußen unterwegs zu sein. Dass er seit einem Verkehrsunfall vor 15 Jahren im Rollstuhl sitzt, kann ihn davon nicht abhalten. Genauso wenig, wie die vielen Barrieren, die immer noch in der Realität und in den Köpfen einiger Menschen bestehen. Als Behindertenbeauftragter der Stadt will er den Weg frei machen – und zwar für alle, die eingeschränkt sind. Sichtbarer Erfolg: Die Stufe vor dem Häfler Strandbad ist verschwunden, in den Eingangsbereich führt jetzt eine leichte Schräge.
Rollstuhlfahrer, Senioren mit Rollatoren oder Eltern samt Kinderwagen sind auch bislang schon über eine kurze Alurampe ins Bad gekommen, doch die war im Vergleich wesentlich schmaler, steiler und „rutschig, wenn die Blumen am Eingang gegossen worden sind und Wasser runtergeflossen ist“, wie Freddy Pfleiderer berichtet. Eine weitere Erleichterung: Die Behindertenparkplätze sind inzwischen auf gleichem Niveau wie das Strandbad angelegt und nicht mehr auf der Anhöhe davor. Von dort führt neben einer Treppe mit allzu vielen Stufen zwar ein Weg herunter, doch der kostet einen Rollstuhlfahrer beziehungsweise seine schiebende Begleitung viel Kraft – besonders, wenn es wieder hinauf gehen soll.
Zwei Punkte würde der Behindertenbeauftragte, der seit Februar 2017 in dieser Funktion ehrenamtlich im Einsatz ist, an diesem Standort gerne noch abhaken: einen barrierefreien Weg in den See über eine Rampe samt wasserfestem Rollstuhl, wie zum Beispiel im Eriskircher Strandbad seit vergangenem Jahr vorhanden, sowie eine Behindertentoilette. „Das wird eine richtige Bereicherung für Friedrichshafen“, betont der 54-Jährige und verweist auf das Inklusionsprojekt CAP-Rotach, ein Campingplatz mit Hotel, Pension und Restaurant im Osten der Stadt, in dem einige Menschen mit Behinderung arbeiten und noch mehr ihren Urlaub verbringen.
Mehr als 3000 Kilometer im Jahr
Freddy Pfleiderer schafft mit seinen beiden Handbikes – das eine elektrisch-manuell, das andere rein elektrisch betrieben – mehr als 3000 Kilometer im Jahr. Wenn er ins Strandbad will, legt er meist Hand an und rollt in Schrittgeschwindigkeit erst einmal an der Uferpromenade entlang. Oder er schaltet mindestens einen Gang höher und nimmt die Friedrichstraße und in der Folge die Schmidstraße bis zur Abzweigung. Ein unüberwindbares Hindernis ist für ihn der prächtige Königsweg, der hinter dem Schloss beginnt. Das Problem: Das letzte Stück zum Strandbad hin ist zu steil.
„Ich muss anders denken und planen als jemand, der gehen kann“, macht der 54-Jährige deutlich. Und das vor allem, sobald öffentliche Verkehrsmittel eingeplant sind. Richtig gut gefällt ihm beispielsweise die Tour von Rorschach nach Bregenz, die mit einer Schiffsfahrt von Friedrichshafen über den See nach Romanshorn in die Schweiz beginnt und unter anderem vorbei an Auenwäldern und am Rheindelta bis in die Landeshauptstadt von Vorarlberg führt. Freddy Pfleiderers Tipp: „Wer dann zu müde ist, die ganze Strecke bis nach Friedrichshafen zu fahren, kann in Lindau den Zug nehmen. Aber nicht vergessen: Rollstuhlfahrer müssen sich anmelden.“
Anmeldungen nimmt die Mobilitätsservice-Zentrale der Deutschen Bahn entgegen, die dafür sorgt, dass Rollstuhlfahrer mit einem Hublift in den Zug gehoben werden, sollten Bahnsteig und Einstieg nicht auf gleicher Höhe sein. Will der Behindertenbeauftragte vom Stadtbahnhof in Friedrichshafen starten, braucht er den Hilfsdienst aber auch noch aus einem anderen Grund: Weil bislang kein Aufzug existiert, mit dem die hinteren Gleise zu erreichen wären, muss ihn ein Mitarbeiter auf einem ebenerdigen Weg über die Schienen begleiten, der ansonsten gesperrt ist. Sitzt der 54-Jährige endlich im Zug, hat er eventuell wenig später mit der nächsten Schwierigkeit zu kämpfen: „Die kurzen Umsteigezeiten ärgern mich, die sind nichts für Rollstuhlfahrer, ältere Menschen oder Eltern mit Kinderwagen.“Genauso wenig wie Geschäfte, die nicht ohne Stufen auskommen, von denen dem Behindertenbeauftragten zufolge in Friedrichshafen zu viele zu finden sind: „Um barrierefreie Einkaufsstadt zu werden, muss die Stadt noch Hausaufgaben erledigen.“Die Kanareninsel Teneriffa, auf der bekanntermaßen viele Senioren überwintern, sei da wesentlich weiter.
Ist Freddy Pfleiderer auf Achse, heißt es, voll bei der Sache zu sein: „Ich muss konzentriert fahren, weil ich weiter unten als ein Radfahrer sitze und im toten Winkel von Lastern sein kann. Außerdem muss ich auf Dohlen, Wurzelerhöhungen oder Ein- und Ausfahrten achten.“Die Stadt sei sehr bemüht, Barrieren zu beseitigen, lobt er. Und das zu Recht, denn: „Mobilität und Selbstständigkeit sind unabdingbar, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.“
Menschen mit Behinderung empfiehlt Freddy Pfleiderer, „sich nicht zu schämen, die Einschränkung anzunehmen und das Beste daraus zu machen“.
Eine Möglichkeit Barrierefrei Zug fahren: Die Mobilitätsservice-Zentrale der Deutschen Bahn ist täglich von 6 bis 22 Uhr zu erreichen unter Telefon 0180 / 651 25 12 (20 Cent/Anruf aus dem Festnetz, Tarif bei Mobilfunk maximal 60 Cent/Anruf) oder per E-Mail an