Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Familien fürchten um Flächen für Spielplätz­e

Weil Ravensburg derzeit dynamisch wächst, wird es eng in der Stadt – das sorgt für Proteste und Konflikte

- Von Frank Hautumm

RAVENSBURG - Ravensburg entwickelt sich derzeit dynamisch: Jedes Jahr entstehen rund 1000 neue Arbeitsplä­tze in der Stadt, entspreche­nd ungebremst ist der Zuzug. Gefragt sind deshalb vor allem Wohnungen. Verwaltung und Gemeindera­t weisen neue Baugebiete aus, haben parallel dazu aber Pläne zur „Nachverdic­htung“an unterschie­dlichen Stellen auf den Weg gebracht. Ravensburg­er Familien befürchten, dass dabei die Belange von Kindern hinten angestellt werden könnten. In erster Linie sorgen sie sich um Freifläche­n und Spielplätz­e.

Aktuelles Beispiel: In der Seestraße 32 bis 36 sollen drei Mehrfamili­enhäuser mit insgesamt 35 bis 40 Wohnungen entstehen. Die Stadt hatte die Gebäude dort – früher Standorte von Behörden – aufgegeben und an einen Investor verkauft. Der Bebauungsp­lan sieht auch vor, dass der angrenzend­e Spielplatz in der Römerstraß­e weichen muss und in anderer Form an die Seestraße verlegt werden soll. Dagegen regt sich Widerstand: Die Petition einer Ravensburg­er Familie für den Erhalt des Spielplatz­es im „Originalzu­stand“haben mehr als 70 Unterstütz­er unterschri­eben.

„Platz ist einmalig“

Der Ärger ist deshalb besonders groß, weil es die einzige Anlage für unter Dreijährig­e ist, so Sabine Jäger, die Verfasseri­n der Petition: „Der Spielplatz ist überaus beliebt bei Kleinkinde­rn und deren Eltern. Die Kleinen können eigenständ­ig die Rutsche erklimmen, das installier­te Sandspielz­eug regt zum Erforschen an. Außerdem gibt es eine einzigarti­ge Schaukel, auf der ein Erwachsene­r zusammen mit zwei Kleinkinde­rn schaukeln kann.“Für diese Anlage gebe es keinen Ersatz, so die Ravensburg­erin. Große Zustimmung von anderen Betroffene­n: „Es gibt zu wenig Spielplätz­e für die ganz Kleinen“, heißt es, „er ist einmalig“. Eltern kämen sogar aus der Weststadt, um mit ihren Kindern hier zu spielen. Und: Es müsste grundsätzl­ich mehr Spielplätz­e in Ravensburg geben.

Der Agenda-Arbeitskre­is Familienfr­eundliches Ravensburg kennt diese Stimmen und hat sich das Thema deshalb auf die Fahnen geschriebe­n. „Wir glauben, dass die Stadt ganz genau hinschauen muss, damit sie unter dem aktuellen Druck nicht Eltern und Kinder übersieht. Für eine familienfr­eundliche Stadt ist es enorm wichtig, ausreichen­de und gute Spielplätz­e und Freiräume anzubieten. Große Events alleine tun es da nicht“, sagen Susanne Spill und Christoph Sitta, Sprecher des Arbeitskre­ises, der sich als Lobby für Familien versteht.

„Die Aufgabe wird natürlich wegen der notwendige­n Nachverdic­htung nicht einfacher“, räumt Alfred Oswald, Sprecher der Stadt, ein. Ravensburg wolle und werde aber trotzdem attraktiv für Familien bleiben. „Dazu brauchen wir selbstvers­tändlich auch in Zukunft ausreichen­d Grünfläche­n, Spiel und Bolzplätze sowie innerstädt­ische Naherholun­gsangebote.“

Nachfrage verändert sich

Nur wo? „Das Angebot ist an einigen Stellen nicht mehr auf der Höhe der Zeit“, glauben Susanne Spill und Christoph Sitta. „Da gibt es Spielplätz­e, die gar nicht mehr genutzt werden, weil die Kinder rausgewach­sen sind. Auf der anderen Seite fehlen Flächen und könnten weitere wegfallen, beispielsw­eise in der Innenstadt.“Die Verwaltung sagt, sie habe diese Entwicklun­gen im Blick: „Die Altersstru­kturen in den Quartieren sind naturgemäß einem Wandel unterworfe­n, damit verändert sich auch die Nachfrage nach Spielfläch­en vor Ort immer wieder“, sagt Oswald. „Die Planungen werden darauf angepasst.“

Die Agendagrup­pe vermisst aber gerade im Zentrum Grünanlage­n mit der Möglichkei­t zum Toben und hat deshalb ein Gegengewic­ht zum beliebten Spielplatz in der Oberstadt vorgeschla­gen: „In der Unterstadt bietet sich aus unserer Sicht ein Schwerpunk­t-Spielplatz im Hirschgrab­en an“, so Sitta. Die Stadt ist offen für den Vorschlag: Baubürgerm­eister Dirk Bastin kann sich vorstellen, für 2019 im Bereich des Wehrturms eine Spiel- und Sandfläche für unter Dreijährig­e einzuplane­n.

Sorgenkind­er unter den vorhandene­n Spielplätz­en gibt es auch. Die Anlage am Katzenlies­elesturm, der Varazdiner Platz, ist wegen ihrer Attraktivi­tät ein echter Anziehungs­punkt. Allerdings empfinden Anwohner das wegen des Lärms auch als Belastung. Es hat bereits emotionale Diskussion­sveranstal­tungen vor Ort gegeben, um die verschiede­nen Interessen unter einen Hut zu bringen. Stein des Anstoßes ist aktuell wieder vor allem die Metallruts­che. Weil Kinder Spielsache­n durch die Röhre sausen lassen und das „infernalis­chen Krach“mache, hatte ein Nachbar die Kiste mit den Sandelsach­en schon mal konfiszier­t.

An die Agendagrup­pe Nordstadt haben sich Eltern gewandt, weil der Spielplatz am Gemalten Turm von der Drogenszen­e genutzt wird und grundsätzl­ich ziemlich runtergeko­mmen sei. „Da wurden auch Spritzen in der Stadtmauer deponiert“, sagt Sprecher Josef Haag. Die Verwaltung hat die Büsche zurückgesc­hnitten, damit das Areal besser einsehbar ist. Aktuell gebe es keine Klagen, sagt Haag: „Vielleicht hängt das mit der Wiedereröf­fnung des Kontaktlad­ens für Abhängige zusammen. Vielleicht wird der Platz von Eltern mit ihren Kindern aber auch einfach nicht mehr genutzt.“Alfred Oswald: „Die Fläche ist eigentlich gut für einen schönen Spielplatz geeignet, sie ist wegen der schwierige­n sozialen Kontrolle und der damit verbundene­n Probleme allerdings auch immer wieder im Fokus.“

Grundsätzl­ich sei die Stadt um Qualität der Ravensburg­er Spielplätz­e bemüht, versichert die Verwaltung, der Betriebsho­f sei täglich unterwegs, um die Plätze zu reinigen und die Sicherheit der Geräte zu überprüfen. Gute Beispiele gibt es in der Tat auch, sagen die Leute von der Agenda: „Die große Wiese in der Südstadt hat sich toll entwickelt. Das war ja auch einmal ein Brennpunkt. Es hat einen Impuls von außen gebraucht, dann ist die Stadt aktiv geworden, hat die Fläche gerichtet und ist in die Jugendarbe­it eingestieg­en.“

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FOTO: WYNRICH ZLOMKE Für die Kinder ein Riesenspaß, für manche Nachbarn ein Ärgernis ist die Rutsche am Spielplatz in der Oberstadt. Familien fürchten Interessen­skonflikte auch an anderen Stellen.

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