Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Familien fürchten um Flächen für Spielplätze
Weil Ravensburg derzeit dynamisch wächst, wird es eng in der Stadt – das sorgt für Proteste und Konflikte
RAVENSBURG - Ravensburg entwickelt sich derzeit dynamisch: Jedes Jahr entstehen rund 1000 neue Arbeitsplätze in der Stadt, entsprechend ungebremst ist der Zuzug. Gefragt sind deshalb vor allem Wohnungen. Verwaltung und Gemeinderat weisen neue Baugebiete aus, haben parallel dazu aber Pläne zur „Nachverdichtung“an unterschiedlichen Stellen auf den Weg gebracht. Ravensburger Familien befürchten, dass dabei die Belange von Kindern hinten angestellt werden könnten. In erster Linie sorgen sie sich um Freiflächen und Spielplätze.
Aktuelles Beispiel: In der Seestraße 32 bis 36 sollen drei Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 35 bis 40 Wohnungen entstehen. Die Stadt hatte die Gebäude dort – früher Standorte von Behörden – aufgegeben und an einen Investor verkauft. Der Bebauungsplan sieht auch vor, dass der angrenzende Spielplatz in der Römerstraße weichen muss und in anderer Form an die Seestraße verlegt werden soll. Dagegen regt sich Widerstand: Die Petition einer Ravensburger Familie für den Erhalt des Spielplatzes im „Originalzustand“haben mehr als 70 Unterstützer unterschrieben.
„Platz ist einmalig“
Der Ärger ist deshalb besonders groß, weil es die einzige Anlage für unter Dreijährige ist, so Sabine Jäger, die Verfasserin der Petition: „Der Spielplatz ist überaus beliebt bei Kleinkindern und deren Eltern. Die Kleinen können eigenständig die Rutsche erklimmen, das installierte Sandspielzeug regt zum Erforschen an. Außerdem gibt es eine einzigartige Schaukel, auf der ein Erwachsener zusammen mit zwei Kleinkindern schaukeln kann.“Für diese Anlage gebe es keinen Ersatz, so die Ravensburgerin. Große Zustimmung von anderen Betroffenen: „Es gibt zu wenig Spielplätze für die ganz Kleinen“, heißt es, „er ist einmalig“. Eltern kämen sogar aus der Weststadt, um mit ihren Kindern hier zu spielen. Und: Es müsste grundsätzlich mehr Spielplätze in Ravensburg geben.
Der Agenda-Arbeitskreis Familienfreundliches Ravensburg kennt diese Stimmen und hat sich das Thema deshalb auf die Fahnen geschrieben. „Wir glauben, dass die Stadt ganz genau hinschauen muss, damit sie unter dem aktuellen Druck nicht Eltern und Kinder übersieht. Für eine familienfreundliche Stadt ist es enorm wichtig, ausreichende und gute Spielplätze und Freiräume anzubieten. Große Events alleine tun es da nicht“, sagen Susanne Spill und Christoph Sitta, Sprecher des Arbeitskreises, der sich als Lobby für Familien versteht.
„Die Aufgabe wird natürlich wegen der notwendigen Nachverdichtung nicht einfacher“, räumt Alfred Oswald, Sprecher der Stadt, ein. Ravensburg wolle und werde aber trotzdem attraktiv für Familien bleiben. „Dazu brauchen wir selbstverständlich auch in Zukunft ausreichend Grünflächen, Spiel und Bolzplätze sowie innerstädtische Naherholungsangebote.“
Nachfrage verändert sich
Nur wo? „Das Angebot ist an einigen Stellen nicht mehr auf der Höhe der Zeit“, glauben Susanne Spill und Christoph Sitta. „Da gibt es Spielplätze, die gar nicht mehr genutzt werden, weil die Kinder rausgewachsen sind. Auf der anderen Seite fehlen Flächen und könnten weitere wegfallen, beispielsweise in der Innenstadt.“Die Verwaltung sagt, sie habe diese Entwicklungen im Blick: „Die Altersstrukturen in den Quartieren sind naturgemäß einem Wandel unterworfen, damit verändert sich auch die Nachfrage nach Spielflächen vor Ort immer wieder“, sagt Oswald. „Die Planungen werden darauf angepasst.“
Die Agendagruppe vermisst aber gerade im Zentrum Grünanlagen mit der Möglichkeit zum Toben und hat deshalb ein Gegengewicht zum beliebten Spielplatz in der Oberstadt vorgeschlagen: „In der Unterstadt bietet sich aus unserer Sicht ein Schwerpunkt-Spielplatz im Hirschgraben an“, so Sitta. Die Stadt ist offen für den Vorschlag: Baubürgermeister Dirk Bastin kann sich vorstellen, für 2019 im Bereich des Wehrturms eine Spiel- und Sandfläche für unter Dreijährige einzuplanen.
Sorgenkinder unter den vorhandenen Spielplätzen gibt es auch. Die Anlage am Katzenlieselesturm, der Varazdiner Platz, ist wegen ihrer Attraktivität ein echter Anziehungspunkt. Allerdings empfinden Anwohner das wegen des Lärms auch als Belastung. Es hat bereits emotionale Diskussionsveranstaltungen vor Ort gegeben, um die verschiedenen Interessen unter einen Hut zu bringen. Stein des Anstoßes ist aktuell wieder vor allem die Metallrutsche. Weil Kinder Spielsachen durch die Röhre sausen lassen und das „infernalischen Krach“mache, hatte ein Nachbar die Kiste mit den Sandelsachen schon mal konfisziert.
An die Agendagruppe Nordstadt haben sich Eltern gewandt, weil der Spielplatz am Gemalten Turm von der Drogenszene genutzt wird und grundsätzlich ziemlich runtergekommen sei. „Da wurden auch Spritzen in der Stadtmauer deponiert“, sagt Sprecher Josef Haag. Die Verwaltung hat die Büsche zurückgeschnitten, damit das Areal besser einsehbar ist. Aktuell gebe es keine Klagen, sagt Haag: „Vielleicht hängt das mit der Wiedereröffnung des Kontaktladens für Abhängige zusammen. Vielleicht wird der Platz von Eltern mit ihren Kindern aber auch einfach nicht mehr genutzt.“Alfred Oswald: „Die Fläche ist eigentlich gut für einen schönen Spielplatz geeignet, sie ist wegen der schwierigen sozialen Kontrolle und der damit verbundenen Probleme allerdings auch immer wieder im Fokus.“
Grundsätzlich sei die Stadt um Qualität der Ravensburger Spielplätze bemüht, versichert die Verwaltung, der Betriebshof sei täglich unterwegs, um die Plätze zu reinigen und die Sicherheit der Geräte zu überprüfen. Gute Beispiele gibt es in der Tat auch, sagen die Leute von der Agenda: „Die große Wiese in der Südstadt hat sich toll entwickelt. Das war ja auch einmal ein Brennpunkt. Es hat einen Impuls von außen gebraucht, dann ist die Stadt aktiv geworden, hat die Fläche gerichtet und ist in die Jugendarbeit eingestiegen.“