Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Benzin in den Adern
Beim Rundgang durch die Motorworld Classics Bodensee werden viele Träume wahr
FRIEDRICHSHAFEN - Ein Rundgang durch die Hallen der Motorworld Classics Bodensee ist wie ein wunderbarer Weg in die Vergangenheit, verbunden mit der Gelegenheit, zu fachsimpeln und von guten alten Zeiten zu schwärmen.
Zu glauben, dass sich nur ältere Semester für diese Messe interessieren, ist allerdings ein Irrtum. Die 16jährige Lara Ziebarth ist aus Uhldingen gekommen, zusammen mit ihrem Freund Rene Mösle, ihrer neunjährigen Schwester Annika und Papa Gerrit. Mitgebracht hat die Familie aber auch eine Simson Schwalbe aus dem Jahr 1975 und eine Simson S51, Baujahr 1986. „Klasse, dass man mit diesen Mopeds direkt am Ace Café London parken darf – und das auch noch ganz umsonst“, ist man sich einig. Gerrit Ziebarth ist auf der Suche nach Ersatzteilen, um seine beiden Mopeds fachgerecht zu restaurieren. Und Lara freut sich vor allem darauf, dass sie bereits in einem Jahr ihren Führerschein machen und dann auch selbst fahren darf.
Im Freigelände hat sich’s Barbara Dünkel aus Schemmerhofen gemütlich gemacht – im Liegestuhl direkt vor ihrem Roulette Graziella 300, einem unglaublich schnuckeligen Wohnwagen, der natürlich von einem Fiat 500 gezogen wird. Beide Fahrzeuge stammen aus dem Jahr 1955, an denen nicht nur das italienische Kennzeichen original ist. Dass Barbara Dünkel in ihrem roten Kleid mit weißen Punkten standesgemäß gekleidet ist, versteht sich von selbst. „Meine Familie sammelt leidenschaftlich Oldtimer“, verrät sie. „Die Atmosphäre auf dieser Messe ist wirklich einzigartig. Wir haben einen tollen Platz und kommen mit vielen netten Leuten ins Gespräch.“
Aus Vaterstetten in der Nähe von München ist Harald Müller gekommen. Er verbindet die Messe mit einem Verwandtschaftsbesuch am See. Scheinbar verguckt hat er sich in einen dunkelgrünen Porsche 356 TG, Baujahr 1963. „Ich liebe alte Fahrzeuge und habe zuhause selbst einen Mitsubishi Geländewagen Pajero aus dem Jahr 1992. Ich könnte mir schon vorstellen, mir noch einen zweiten Oldtimer zuzulegen“, sagt er – während sich seine Frau Karin von historischen Hüten inspirieren lässt.
„Ich glaube, dass der Spaß am Fahren früher viel größer war als heute“, meint Klaus Bauer aus Rottweil, der von einer ganzen Gruppe Gleichgesinnter begleitet wird, die allesamt Mitglieder des Isetta Clubs sind. Er sei gerade dabei, eine Isetta Baujahr 1958 zu restaurieren, ergänzt Eugen Wintermantel. Das mache nicht nur riesigen Spaß, er könne auch auf die Hilfe zahlreicher „Mitschrauber“aus seinem Verein vertrauen und von deren Wissen profitieren. Wie ein echtes Objekt männlicher Begierde ausschauen kann, zeigt sich bei einem BMW M1 Gruppe 5. „Das ist ein Silhouettenfahrzeug. Sieht aus wie ein BMW, hat aber einen Motor von Chevrolet“, erklärt einer der vielen Experten. „Schauen, sich freuen und das ganz spezielle Flair genießen.“Ein Wunsch, der für Jasmina Sigg aus Kaltenbach bei Stein am Rhein in Erfüllung geht – auch weil sie erblich bedingt seit jeher „Benzin im Blut“hat. Vor einem Mercedes 170 Da 1952 sich ablichten zu lassen, fällt ihr leicht – zumal sie mit ihrem wunderschönen Petticoat-Kleid und ihren Netzstrümpfen mit dem dazu passenden perfekten Outfit glänzen kann. Echte Profis in Sachen Oldtimer sind Sonja und Jürgen Schober aus Stuttgart. Sie ist KFZ-Mechanikerin, er Werkstattleiter eines Fahrzeug-Restaurationsbetriebs – und beide nennen „vom Mercedes bis zum Goggomobil“rund 15 historische Autos und weitere 15 Motorräder ihr Eigen. „Wer sind zum x-ten Mal hier auf der Messe. Beruf und Hobby ist bei uns ein“, sagen sie und nehmen ein VW-Käfer-Cabriolet aus den 1960ern genauer unter die Lupe.
Wie in Manzell
Auf dem Freigelände fühlt mancher ältere Messebesucher sich an das „Rote Meer“von Manzell erinnert, als dort in den 1950-ern die Traktoren der Porsche-Diesel-Maschinenbau zum weit erkennbaren leuchtenden Markenzeichen wurden. Begeisterung auch bei Jon Stenersen. Der 56-Jährige hat den weiten Weg aus Norwegen nicht gescheut und ist ganz begeistert von der Motorworld Classics. Im Internet hat er über die Messe gelesen – und nicht bereut, dass er sich in den Flieger gesetzt hat. „Auch die Lage hier direkt am Bodensee ist einfach perfekt“, sagt er. Sein Interesse gilt aber nicht nur den Traktoren. Zuhause hat er ein Mercedes Cabrio 300 SL aus dem Jahr 1989 und freut sich darauf, mit fachkundigem Auge gemütlich durch die Hallen zu schlendern.