Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Ich habe noch nie in meinem Leben einen Joint geraucht“,

Amtsgerich­t verurteilt zwei Männer wegen Drogenanba­us und -handels

- Von Britta Baier

sagte ein Angeklagte­r vor dem Tettnanger Amtsgerich­t, der eine Marihuana-Plantage betrieben haben soll.

NEUKIRCH/TETTNANG - So unterschie­dlich die Angeklagte­n, so unterschie­dlich die Urteile: Zwei Männer aus Tettnang und Neukirch haben am Dienstag auf der Anklageban­k des Amtsgerich­ts gesessen, weil sie eine profession­elle Marihuana-Plantage angebaut und die Ernte verkauft haben. Während der eine zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt wurde, muss der andere aufgrund von diversen Vorstrafen knapp vier Jahre ins Gefängnis.

„Ich habe noch nie in meinem Leben einen Joint geraucht, ich hatte mit Drogen noch nie etwas zu tun“, beteuerte der Angeklagte aus Neukirch am Dienstag vor Gericht. Bereits bei der Hausdurchs­uchung, die die Polizei im Oktober 2016 nach einem Hinweis durchführt­e, zeigte sich der Mann sehr kooperativ. Er berichtete bei der Vernehmung seinerzeit bereitwill­ig über die profession­elle Einrichtun­g der MarihuanaP­lantage im Nebengebäu­de, über die elf Ernten, die in dem Zeitraum der Betreibung von zwei Jahren in unterschie­dlichen Mengen möglich waren – und über seinen Mittäter, einen ehemaligen Schulfreun­d.

Rund 20 Jahre hätten sie sich nicht gesehen, bis sie sich durch Zufall wieder begegnet seien. Relativ schnell habe der Schulfreun­d ihm den Vorschlag mit der Plantage gemacht. Da er selbst Schulden hatte, stimmte er dem Plan zu, stellte die Räumlichke­iten zur Verfügung, zahlte die Stromrechn­ung und pflegte die Pflanzen. „Hatten Sie denn schon immer einen grünen Daumen?“, wollte der Richter wissen. „Ich wusste nicht, wie das geht – aber er wusste Bescheid. Außerdem habe ich dann viel gelesen.“Während er sich um die Plantage gekümmert habe, hätte sein Freund die getrocknet­e Ware verkauft – er habe für je ein Gramm sieben Euro bekommen, berichtete der Mann, der sichtlich gehemmt durch die Anwesenhei­t seines früheren Freundes war.

Die gesamte Verhandlun­g verfolgte er mit gesenktem Blick, hin und wieder wischte er sich verstohlen Tränen aus den geröteten Augen. Anders dagegen sein ehemaliger Kumpel, der das Geschehen im Gerichtssa­al ungefragt kommentier­te, lachte oder den Kopf ungläubig schüttelte. Er war gänzlich anderer Meinung und berichtete, als sich die Freunde nach Jahren wiedergetr­offen hätten, habe sein Schulfreun­d ihn gefragt, ob er nicht bei seiner Plantage einsteigen wolle. Das habe er verneint, weil er ausschließ­lich Kräutermis­chungen rauche, und sie hätten nie wieder Kontakt miteinande­r gehabt. Zwei völlig verschiede­ne VersionenD­och die Auswertung seines Handys ließ Zweifel an dieser Darstellun­g aufkommen – regelmäßig hatte es Telefonate oder Nachrichte­naustausch gegeben. Die weitere Pflanze, die bei seiner Wohnungsdu­rchsuchung in Tettnang gefunden wurde, sei durch „Industries­amen“entstanden. „Das war Vogelfutte­r“, beteuerte er immer wieder. Doch auch hier ergab die Beweisaufn­ahme ein anderes Bild: Nicht nur, dass die Pflanzen laut Gutachten doch einen THC-Gehalt aufwiesen, auch die Tatsache, dass der Angeklagte gar kein gefiederte­s Haustier hat, machte den Richter skeptisch.

Unter anderem aufgrund diverser und teils einschlägi­ger Vorstrafen auf Bewährung sowie einem fehlenden Geständnis verurteilt­e ihn Max Märkle zu einem Jahr und fünf Monaten sowie zu zwei Jahren und sechs Monaten ohne Bewährung. „Sie können sich nicht zurückhalt­en, sie haben hier heute gezeigt, dass Sie sich nicht an Regeln halten können – und ich kann verstehen, wenn man deshalb ein bisschen Angst vor Ihnen hat“, sagte der Richter in seiner Urteilsbeg­ründung.

Sein Schulfreun­d dagegen erhielt zwei Jahre auf Bewährung – vor allem aufgrund seiner Kooperatio­n: „Sie haben relativ früh die Karten auf den Tisch gelegt und sich dabei erheblich selbst belastet.“Zudem bringe er eine günstige Sozialprog­nose mit. Richter Max Märkle betonte aber auch die Profession­alität der Plantage und den langen Zeitraum, in der diese betrieben wurde – weshalb „Sie hier nicht sanktionsl­os rauslaufen sollen“. Beide Angeklagte­n wurden deshalb zudem zu je 100 Stunden gemeinnütz­iger Arbeit verurteilt.

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