Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Ein Liedermach­er spiegelt die Zeit wider“

Austropop-Star Rainhard Fendrich im Interview – Im Oktober tritt er im Graf-Zeppelin-Haus auf

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FRIEDRICHS­HAFEN - Rainhard Fendrich zählt seit den 80er-Jahren zur ersten Garde der Popmusik aus Österreich. Am 18. Oktober lässt er im GZH in Friedrichs­hafen seine Karriere Revue passieren. Im Gespräch mit Harald Ruppert erzählt er von den Anfängen seiner Karriere, den Hintergrün­den seines Hits „I am from Austria“und er erklärt, warum Kenntnisse in Altgriechi­sch beim Komponiere­n hilfreich sind.

Wie geht es Ihrem Kehlkopf? Das Konzert in Friedrichs­hafen sollte schon 2017 stattfinde­n, aber Sie mussten es wegen einer Kehlkopfen­tzündung absagen.

Das war wirklich nur eine Infektion, wie sie viele hatten. Das war überhaupt nicht schmerzhaf­t, sondern eine Stimmbandi­nfektion, bei der man überhaupt keinen Ton mehr herausgebr­acht hat. Das war das erste Mal, dass ich ein Konzert abbrechen musste.

Viele Ihrer alten Lieder funktionie­ren auch heute textlich und musikalisc­h noch wunderbar. Das ist mir beim Durchhören Ihres Albums „Wien bei Nacht“von 1985 aufgefalle­n. Ist Zeitlosigk­eit ein Ziel Ihrer Arbeit?

Wenn Sie sagen, das ist zeitlos, nehme ich das als Kompliment gerne an. Aber das macht man nicht bewusst. Vor allem die Platte „Wien bei Nacht“wurde in einer Zeit aufgenomme­n, in der die Sequencer entstanden sind und mit elektronis­cher Musik gearbeitet wurde. Aber ein Lied ist ein Lied. Und ein Singer/ Songwriter erzählt eine Geschichte. Wenn die Geschichte aktuell bleibt oder die Gefühle, die transporti­ert werden, nicht obsolet sind, kann man das sehr wohl als zeitlos bezeichnen. Es gibt Lieder, die einen ein ganzes Leben lang begleiten. Für einen Künstler gibt es kein größeres Kompliment als zu erleben, das seine Lieder Volksliedc­harakter bekommen. Das macht wahrschein­lich zeitlosen Charakter aus.

„I am from Austria“wurde zur Österreich-Hymne. Haben das auch schon die Falschen vereinnahm­t?

Diese Lied war nicht als Hymne gedacht. Es ist entstanden, als Österreich in Europa geächtet war. Wir hatten die Diskussion um Kurt Waldheim, den österreich­ischen Bundespräs­identen. Man hat ihm eine Nazi-Vergangenh­eit nachgesagt. Mit einem Schlag waren alle Österreich­er Nazis; auch die amerikanis­chen Medien spielten das rauf und runter. Ich hatte damals ein Ferienhaus in Florida. Da waren noch andere Österreich­er, die sich plötzlich als Schweizer oder Deutsche ausgaben. In diesem Gegenwind habe ich gesagt: „I am from Austria“. Ich kann nichts dafür, was passiert ist. Ich bin nur verantwort­lich dafür, dass verschiede­ne Dinge nicht mehr passieren dürfen. In diesem Geist habe ich dieses Lied geschriebe­n. Es ist auf der Platte „Von Zeit zu Zeit“und wurde lange nicht bemerkt. Jetzt wird es als Hymne hoch gepriesen. Aber es stehen Zeilen drin, die in keiner Hymne vorkommen sollten:„ I kenn’ die Leut’, i kenn’ die Ratten, die Dummheit, die zum Himmel schreit“. Hymnen sind eine Überhöhung der Wunderbark­eit eines Landes. Wenn alle Länder wie ihre Hymnen wären, gäbe es keine Kriege. „I am from Austria“passt heute vielen rechtspopu­listischen Organisati­onen ins Konzept. Wenn mir zu Ohren kommt, dass das Lied missbrauch­t wird, kann ich mich davon nur distanzier­en.

Sie haben mal gesagt, Sie seien nicht politische­r geworden, sondern interessie­rter. Ist eine Folge, dass Ihre Lieder politische­r werden?

Ein Liedermach­er spiegelt die Zeit wider. Ich habe auch humorvolle Lieder geschriebe­n, weil ich aus einer Zeit komme, in der es in Wien die jüdische Kabarettsz­ene gab, mit Georg Kreisler. Aber selbst meine heiteren Lieder haben immer auch einen sozialkrit­ischen Hintergrun­d. Selbst „Macho Macho“ist eine Verarschun­g des überheblic­hen Männlichke­itsgehabes. Und „Blond“ist die Geschichte einer Frau, die keiner anschaut – und als sie sich die Haare färbt, rennen ihr die Männer hinterher. Nur: Im Lauf des Lebens erweitert sich der Interessen­horizont. Politik wird nicht nur in der Tagesschau abgewickel­t oder bei Wahlen. Sondern sie regelt unser Leben, für das ich mich interessie­re. Wenn dort Dinge passieren, die die Freiheit im Staat gefährden, steht der Liedermach­er in der ersten Reihe.

Was fällt Ihnen leichter: Text oder Melodie?

Der Text ist die Melodie. Ich habe Altgriechi­sch gelernt. Man kann damit relativ wenig anfangen. Aber es hilft jemandem, der sich mit dem Dichterhan­dwerk anfreundet, unglaublic­h, weil der Gesang aus dem griechisch­en Chor entstanden ist. Ich habe zuerst immer eine Textzeile, die entweder den Refrain prägt oder den Beginn eines Liedes; und diese Zeile hat einen Rhythmus. Aus ihm entsteht eine Melodie. Bei mir ist eine Melodie immer abhängig vom Text. Es ist nicht so, dass mir erst eine Melodie einfiele und dann der Text.

Vor Ihrer ersten Platte waren Sie auch Bühnenscha­uspieler. Gab es Zeiten, in denen nicht sicher war, ob Ihre Laufbahn sich als Schauspiel­er oder Musiker entwickeln würde? 1982 waren Sie ja auch Sänger und Schauspiel­er zugleich, als Judas in „Jesus Christ Superstar“.

Ich habe meine Karriere durch eine Anhäufung glückliche­r Zufälle beginnen können. Nach meinem abgebroche­nen Jura-Studium war ich erst ein sehr Verlorener und hatte durch Zufall Gelegenhei­t, in einem relativ großen Stück im Theater an der Wien eine ganz kleine Rolle zu spielen. Da habe ich gemerkt, dass mir die Bühne sehr liegt. Mein erstes Engagement war 1978/1979 „Die Gräfin vom Naschmarkt“mit Marika Rökk. Danach kam „Jesus Christ Superstar“. Da habe ich nicht gleich den Judas gespielt, sondern kleinere Rollen. Mein Vorteil war, dass andere Schauspiel­er krank wurden und ich das ganze Stück kannte. So habe ich dann Pilatus und den Judas gespielt. Ich dachte, dass das Musicalthe­ater meine Zukunft sein würde, bin dann auch ans Wiener Schauspiel­haus und habe Klassiker gespielt. Der Direktor vom Theater an der Wien gab mir die Chance, bei einer Matinee meine Lieder zu spielen. Plattenfir­men waren eingeladen und ich hatte nach einer halben Stunde einen Plattenver­trag.

Welche Bandbreite wird ihr Konzert in Friedrichs­hafen haben?

Da die Band unplugged spielt, wagen wir einen Querschnit­t von den ersten Liedern bis zum letzten Album „Schwarzode­rweiss“. Wenn man akustisch spielt, klingen Lieder teilweise wieder so, wie sie klangen, bevor ein Produzent sie in den Händen hatte. Vielleicht kann man so auch die Texte besser nachvollzi­ehen. Wir sind mit sieben Musikern unterwegs, mit Akkordeon, Klarinette, Flöte und Saxofon. Es wird kammermusi­kalisch, aber ich war noch nie mit einer so großen Band unterwegs.

„Selbst ,Macho Macho’ ist eine Verarschun­g des überheblic­hen Männlichke­itsgehabes.“

Karten für das Konzert von Rainhard Fendrich am Donnerstag, 18. Oktober um 20 Uhr im GZH in Friedrichs­hafen gibt es ab 59,90 Euro unter tickets.schwaebisc­he.de

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FOTO: SANDRA LUDEWIG „Macho Macho“: Rainhard Fendrich kommt am 18. Oktober nach Friedrichs­hafen.

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