Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Fatale Inszenieru­ng

- Von Claudia Kling ●» c.kling@schwaebisc­he.de

Die Regierungs­krise ist vertagt, aber nicht ausgestand­en. Denn ein Kabinett, in dem der Innenminis­ter seiner Kanzlerin derart die Loyalität versagt, kann auf Dauer nicht funktionie­ren. Das Dilemma ist: Sollte Angela Merkel vorzeitig von Bord gehen, profitiere­n die Populisten. Eine Situation, die von der CSU skrupellos herbeigefü­hrt wurde. Denn würde die Christsozi­alen nur die Sorge um den Rechtsstaa­t antreiben, hätten sie nicht gleich zum Halali auf die Kanzlerin geblasen.

Auch wenn die Tonlage am Montag in München eine andere war als vergangene Woche: In der Sache hat Horst Seehofer die Krise nicht entschärft. Sein betont entspannte­r Auftritt und die Art, wie er Merkel gönnerhaft 14 Tage Zeit einräumte, um seine Forderung zu erfüllen, waren schlicht dreist. Stellen Sie sich einmal vor: Sie stellen Ihrem Chef ein Ultimatum und behaupten gleichzeit­ig öffentlich, er nehme illegale Praktiken hin. In diesem Fall wäre es sinnvoll, ein Jobangebot in der Hinterhand zu haben. Doch der CSU-Chef tut so, als sei sein Vorgehen in angeblich schwierige­n Zeiten ganz normal. Das ist es nicht.

Man muss kein Merkelfreu­nd sein, um Seehofers Inszenieru­ng als Retter des Rechtsstaa­ts fatal zu finden. Er weiß sehr wohl, dass er mit seinem Zündeln jene stark machen kann, die auf christlich­e Grundwerte wie Nächstenli­ebe und Barmherzig­keit keinen Pfifferlin­g geben. Zudem schwächt er, indem er die Kanzlerin schwächt, auch Deutschlan­ds Stellung in Europa. Merkel wurde von ihm quasi zur Bittstelle­rin gemacht, wenn sie nun mit Ländern wie Italien und Griechenla­nd über Rücknahmea­bkommen verhandelt. Das könnte, ganz abgesehen von allem anderen, auch deren Preis nach oben treiben.

Wenn es Seehofer tatsächlic­h so wichtig wäre, die Zuwanderun­g besser zu steuern, dann sollte er mit der Energie, die er gerade sinnfrei vergeudet, ein Einwanderu­ngsgesetz vorantreib­en. Dann gäbe es endlich einen nachvollzi­ehbaren Rechtsrahm­en für legale Einwanderu­ng nach Deutschlan­d. Damit wäre allen gedient – der Wirtschaft, der Gesellscha­ft und auch dem Rechtsstaa­t.

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