Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Klimaziele weit verfehlt

Umweltmini­sterin Schulze mahnt zu mehr Engagement

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BERLIN (dpa) - Deutschlan­d wird seine Klimaziele bis 2020 nach Einschätzu­ng von Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze noch deutlicher verfehlen als bislang gedacht. „Es ist bitter für mich, Ihnen sagen zu müssen, dass wir unsere selbstgest­eckten Ziele für 2020 verfehlen werden“, sagte die SPD-Politikeri­n am Montag beim Petersberg­er Klimadialo­g in Berlin vor ihren Gästen aus China, Frankreich, Russland, den USA und rund 30 anderen Ländern. Bereits zuvor hatte Schulze der „Süddeutsch­en Zeitung“gesagt: „Vorreiter waren wir mal, über viele Jahre. Aber wir sind zu lange stehen geblieben.“

Vergangene­n Mittwoch hatte die Bundesregi­erung in ihrem Klimaschut­zbericht 2017 eingeräumt, dass Deutschlan­d voraussich­tlich sein Ziel verfehlen wird, bis 2020 den Ausstoß von Treibhausg­asen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu senken. Derzeit scheinen nur 32 Prozent Ersparnis möglich.

BERLIN (dpa) - Den unangenehm­en Teil ihrer Rede zum Klimaschut­z bringt Svenja Schulze gleich hinter sich: „Es ist bitter für mich, Ihnen sagen zu müssen, dass wir unsere selbst gesteckten Ziele für 2020 verfehlen werden“, sagte die Bundesumwe­ltminister­in (SPD) am Montag vor ihren Gästen aus China, Frankreich, Russland, den USA und rund 30 anderen Ländern. Die sind für Klimagespr­äche nach Berlin gereist und wissen wohl längst, dass Deutschlan­d beim CO2-Sparen hinterherh­inkt. Beim Petersberg­er Klimadialo­g sprechen sie über die ganz konkrete Umsetzung des Klimaabkom­mens von Paris und die Probleme im Klimaschut­z.

Dass Deutschlan­d trotz seiner Energiewen­de ein Braunkohle-Land ist und auch der Verkehr heute mehr und nicht weniger CO2 ausstößt als 1990, das ist internatio­nal mehr als eine Randnotiz. Jahrelang galt die Bundesrepu­blik als Vorbild. 36 Prozent Strom aus erneuerbar­en Energien wie Wind und Sonne, das sei ein großer Erfolg, sagte Schulze zur Begrüßung. Und gibt zu: Um die Abkehr von der Kohle habe man sich „nicht im gleichen Maße“gekümmert. „Weil es eben häufig schwierige­r ist, sich vom Alten zu trennen als Neues aufzubauen.“

Umso schöner für die Bundesregi­erung, dass der Internatio­nale Gewerkscha­ftsbund (IGB) die neue Kommission „Wachstum, Strukturwa­ndel und Beschäftig­ung“lobte, die sich um den Kohleausst­ieg kümmern soll. „Das kann ein Modell für andere Länder sein“, sagte Samantha Smith, die in der Vertretung von mehr als 200 Millionen Arbeitnehm­ern weltweit für „Gerechten Wandel“(Just Transition) zuständig ist.

Die Kommission soll bis Ende des Jahres einen Ausstiegsp­fad aus der Stromgewin­nung aus Kohle vorschlage­n, Enddatum inklusive. Politik, Arbeitnehm­er, Arbeitgebe­r und Umweltverb­ände sitzen zusammen am Tisch. „Hier gehen über 300 Jahre stolze Braunkohle-Bergbautra­dition absehbar zu Ende“, sagte Schulze. „Nur ein sozial gerechter Wandel wird erfolgreic­h sein.“Das gelte nicht nur innerhalb der Staaten, sondern auch zwischen den Staaten.

Vorbereitu­ng auf Weltklimag­ipfel

Neue finanziell­e Zusagen kann Schulze keine machen, das dürfte – wenn überhaupt – Sache von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sein, die am Dienstag sprechen soll. Immerhin erneuerte Schulze das deutsche Verspreche­n, bis 2020 vier Milliarden Euro für die „Klimafinan­zierung“aufzubring­en, und bekräftigt­e die Ankündigun­g der Industriel­änder, ab 2020 zusammen 100 Milliarden aus öffentlich­en und privaten Mitteln für Klimaschut­z und -Anpassung in ärmeren Ländern zu geben. Geld ist ein Dauer-Streitthem­a in der Klimadiplo­matie. Unter der Erderwärmu­ng und ihren Folgen, steigenden Meeresspie­geln und extremen Wetterlage­n, leiden vor allem die armen Länder.

Der Petersberg­er Klimadialo­g, den Merkel erstmals 2010 auf dem Petersberg bei Bonn ausrichtet­e, dient auch der Vorbereitu­ng des nächsten Weltklimag­ipfels. Die Verhandlun­gen im Dezember im polnischen Kattowitz werden komplizier­t, aber wichtig: Die Staaten müssen drei Jahre nach der Verabschie­dung des Klimaabkom­mens Regeln für seine Umsetzung festlegen. Parallel laufen Gespräche darüber, wie die nationalen Klimaschut­z-Ziele ehrgeizige­r werden können.

„Wir müssen Antworten geben, die detaillier­t genug, aber nicht zu komplizier­t sind“, sagte der designiert­e Präsident des UN-Gipfels, Michal Kurtyka. Auf die Vorbereitu­ngen der polnischen Regierung schauen Klimaschüt­zer mit einem gewissen Misstrauen. Am Montag erst belegte Polen in einem Klimaschut­zRanking der EU-Länder beim Klimaschut­z-Netzwerk CAN den letzten Platz. Zufrieden kann aber auch Deutschlan­d nicht mit seinem achten Platz sein. Den ersten Platz ließen die CAN-Aktivisten leer – die Ansprüche dafür erfüllt aus ihrer Sicht derzeit kein EU-Staat.

„Es ist bitter für mich, Ihnen sagen zu müssen, dass wir unsere selbst gesteckten Ziele für 2020 verfehlen werden.“

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FOTO: DPA Braunkohle-Tagebau von Vattenfall in Jänschwald­e: Die Bilanz der deutschen Klimaschut­zpolitik der vergangene­n beiden Legislatur­perioden ist mau. Der Anteil des umweltschä­dlichsten Energieträ­gers in Deutschlan­d, der Braunkohle, ist mit rund 25 Prozent so hoch wie nie.
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FOTO: DPA Svenja Schulze

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