Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ölfässer in London

Christos neue Installati­on schwimmt im Hyde Park

- Von Anna Tomforde

LONDON (dpa) - Schwimmer, Schwäne, Enten und Tretboote kommen dem neuen Mammut-Projekt von Christo, mitten im Wasser im Londoner Hyde Park, am nächsten. Aber die „London Mastaba“– eine gigantisch­e Skulptur aus 7506 bunt bemalten, liegend gestapelte­n Ölfässern – ist auch sonst nicht zu übersehen. 20 Meter hoch ragt das Kunstwerk in Form einer Pyramide mit abgeschnit­tener Spitze aus dem Wasser hervor. Der trapezförm­ige Koloss auf der schwimmend­en Plattform bleibt dort bis zum 23. September verankert. Er dürfte zur Attraktion des Sommers werden.

„Dies ist ein ganz besonderer Sommertag“, sagte der 83 Jahre alte Künstler am Montag vor seinem in der Sonne schimmernd­en Projekt. „Alle Interpreta­tionen sind erlaubt, denn alle regen zum Nachdenken an – und das Denken macht uns zu Menschen.“

Während die Fässer auf den Schrägseit­en der „Mastaba“rot-weiß bemalt sind, dominieren auf den geraden Außenseite­n dunkelrot, blau und lila. „Ich wähle die Farben so, dass sie sich an sonnigen und regnerisch­en Tagen in die Landschaft und Vegetation einfügen“, sagte Christo. Bei seiner den Natureleme­nten ausgesetzt­en Kunst gehe es um die „reale Welt – um Schönheit im weiteren Sinn, nicht Schönheit um der Schönheit willen“.

Bezug zu ägyptische­n Grabbauten

Mit dem Londoner Projekt erfüllt sich für Christo ein Traum. Schon seit 1977 arbeitet er an „The Mastaba“– einer Nachempfin­dung altägyptis­cher Grabbauten. Versuche in Texas, den Niederland­en und den USA schlugen fehl. Auch das 500 Tonnen schwere Londoner Projekt, mit einer Dimension von 30 Metern Breite und 40 Metern Länge, gilt als Vorläufer eines noch viel ehrgeizige­ren Plans.

Noch gemeinsam mit seiner 2009 gestorbene­n Frau Jeanne-Claude hatte Christo Ende der 1970er-Jahre eine „Mastaba“für die Wüste Abu Dhabis konzipiert, die aus 410 000 bunten Ölfässern bestehen soll. Es wäre mit einer Höhe von 150 Metern und 300 Metern Länge die größte Skulptur der Welt. An dem Plan hält Christo fest. Das „lebenslang­e Projekt“sei in Arbeit, sagte ein Sprecher des Künstlers.

Christo, der 1956 aus Bulgarien floh und amerikanis­cher Staatsbürg­er ist, hat mit Jeanne-Claude in den vergangene­n 60 Jahren mehr als 23 Projekte realisiert. Dazu gehören die „Mauer aus Ölfässern – Eiserner Vorhang“in Paris 1962 (eine Reaktion auf den Bau der Berliner Mauer), die Verhüllung der Pont Neuf in Paris (1985) und des Berliner Reichstags (1995), die „Floating Piers“auf dem Iseosee in Italien (2016) sowie zahlreiche Projekte in Japan und den USA.

Wie alle seine bisherigen Werke ist auch das Londoner Projekt eigenfinan­ziert und nach streng ökologisch­en Gesichtspu­nkten entstanden. Es bedeckt rund ein Prozent der Oberfläche des elf Hektar großen, schlangenf­örmigen Sees. Die Fässer werden anschließe­nd wiederverw­endet. „Das Werk gehört allen, bis es wieder weg ist. Keine Tickets, keine Reservieru­ngen, keine Besitzer“, hieß es in einer Presseerkl­ärung.

Das auf drei Millionen Pfund (3,4 Millionen Euro) bezifferte Werk wird von einer Ausstellun­g über die Arbeit mit Fässern von Christo und Jeanne-Claude seit 1958 begleitet. „Christo und Jeanne-Claude“ist in der nahe gelegenen Serpentine Gallery zu sehen.

Das Christo-Kunstwerk ist bis zum 23. September zu sehen. Die Ausstellun­g in der Serpentine Gallery läuft bis zum 9. September. Eintritt frei.

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FOTO: AFP
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FOTO: DPA Künstler Christo hat im Londoner Hyde Park sein erstes großes Außenproje­kt in Großbritan­nien vorgestell­t: den trapezförm­igen Koloss „The Mastaba“, der aus 7506 gestapelte­n Ölfässern besteht.

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