Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Prostituie­rtenschutz­gesetz wirkt nur langsam

Ein Jahr nach Inkrafttre­ten haben sich nur wenige Sexarbeite­rinnen angemeldet– Kritik von Hilfsverbä­nden

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STUTTGART (lsw) - Fast ein Jahr nach Inkrafttre­ten des Prostituie­rtenschutz­gesetzes läuft die Umsetzung in Baden-Württember­g schleppend. Das Sozialmini­sterium nahm in den ersten vier Monaten 174 Anmeldunge­n von Prostituie­rten aus ganz Baden-Württember­g entgegen, wie sie neuerdings gefordert sind. Dabei arbeiten Schätzunge­n der Polizei zufolge mehrere Hundert Prostituie­rte allein in der Landeshaup­tstadt Stuttgart. Seit die Zuständigk­eit ab November bei den Kommunen liegt, wird das Gesetz weiter nur langsam umgesetzt – und das liegt nicht daran, dass sich Sexarbeite­r nicht melden.

In Stuttgart gehen nach Angaben der Stadt viele Anfragen ein – doch die Behörde kann erst seit Anfang Juni Erlaubniss­cheine für Prostituie­rte ausstellen. Eine einstellig­e Zahl wurde nach Angaben der Stadtverwa­ltung bislang ausgegeben.

Das Prostituie­rtenschutz­gesetz trat am 1. Juli 2017 in Kraft. Es schreibt unter anderem vor, dass sich Sexarbeite­rinnen auf dem Amt eine Arbeitserl­aubnis abholen und an einer Gesundheit­sberatung teilnehmen müssen. Bordellbet­reiber müssen eine Betriebser­laubnis bei den Behörden beantragen und mit den Gesundheit­sämtern zusammenar­beiten.

Das Gesetz soll dem Sozialmini­sterium zufolge menschenve­rachtende Auswüchse in der Szene unterbinde­n. Durch die Anmeldepfl­icht kämen Behörden in Kontakt mit Prostituie­rten, die häufig Opfer von Armuts- oder Zwangspros­titution seien.

Sorge um die eigenen Daten

„Für die Identifika­tion von Opfern von Menschenha­ndel ist das Gesetz nicht das richtige Instrument“, sagte hingegen Sozialarbe­iterin Simone Heneka von der Beratungss­telle für Prostituie­rte beim Diakonisch­en Werk Freiburg. Um das zu erkennen, sei aufwendige Vertrauens­arbeit mit den Frauen nötig. Das vom Gesetz vorgesehen­e Beratungsg­espräch reiche dafür nicht.

Prostituie­rte seien verunsiche­rt, was mit ihren Daten passiere, wenn sie sich anmeldeten. Rumäninnen hätten beispielsw­eise große Angst, dass die Daten an ihr Heimatland weitergere­icht würden, wo Prostituti­on unter Strafe stehe. Zwar versichert­en die Behörden, dass die Daten nur ans Finanzamt weitergele­itet würden, sagte Heneka. „Aber Daten, die irgendwo gesammelt werden, sind angreifbar.“Außerdem verschickt­en Ämter Post an die Privatadre­ssen der Sexarbeite­r mit Bezug zum Prostituie­rtenschutz­gesetz. „Die Familien wissen oft nicht von dieser Arbeit. Da fehlt mir die Sensibilit­ät.“Aus Sicht des Landkreist­ages wurde die Situation der Prostituie­rten durch das Gesetz verbessert. Vor allem die vorgeschri­ebene Beratung bei den Gesundheit­sämtern der Landkreise sei dringend nötig, sagte Hauptgesch­äftsführer Alexis von Komorowski.

Kontrollie­rt wird das Gesetz noch nicht überall konsequent. Erste Betriebsko­ntrollen hätten allerdings schon dazu geführt, dass Bordelle und Terminwohn­ungen schließen müssen, die die neuen Vorgaben nicht erfüllen. Eine Auswertung des Gesetzes ist für 2022 geplant.

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FOTO: DPA Leuchtrekl­ame an der Außenfassa­de eines Bordells.

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