Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Warum der Kontinent nach rechts rückt

Die Europaabge­ordneten Norbert Lins und Andreas Schwab suchen mit Kollegen nach Gründen für das Erstarken des Populismus

- Von Daniel Hadrys

UHLDINGEN-MÜHLHOFEN - Spätestens seit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidente­n bestimmt ein Begriff die politische Debatte: Populismus. Sein Erstarken bedeutet eine Zeitenwend­e. Volksparte­ien verlieren an Zulauf, radikale Kräfte kriegen mehr Zuspruch. Die Sachlichen verlieren, die Lauten gewinnen. Das gilt auch in Europa. Großbritan­nien verlässt die EU – der Brexit ist der Sieg eines populistis­chen Wahlkampfs. Italien, Österreich, Ungarn oder Polen setzen – gerade in Fragen der Migration – auf Alleingäng­e.

Die baden-württember­gischen CDU-Europaabge­ordneten Norbert Lins und Andreas Schwab haben am Samstag nach Ursachen für das Erstarken des Populismus gesucht – und nach möglichen Lösungen. Sie hatten zur Bodenseeko­nferenz nach Uhldingen-Mühlhofen geladen. Ihre Gäste in Schloss Maurach waren zwei Kollegen in der EU-Parlaments­fraktion der Europäisch­en Volksparte­i (EVP): Herbert Dorfmann von der Südtiroler Volksparte­i und der österreich­ische ÖVP-Europaabge­ordnete Lukas Mandl. Doch was bedeutet Populismus? Dorfmanns Antwort: „Eigentlich meint Populismus die Stimme des Volkes.“Dies müsse zunächst nichts Schlechtes sein.

Populisten sprechen jedoch vor allem die Sprache der Unzufriede­nen. Die Wahl der beiden Regierungs­parteien, der rechtspopu­listischen Lega Nord und der euroskepti­schen Protestbew­egung Cinque Stelle, sei Ausdruck dafür. „Cinque Stelle ist ein Mix aus Menschen, die enttäuscht sind und von der Wirtschaft­skrise getroffen wurden.“Dies treffe auch auf die Lega Nord zu. Zudem hätten junge Menschen ihrer Frustratio­n Luft machen wollen.

Auch in Österreich hat sich die Politik bei der vergangene­n Wahl nach rechts verschoben. Kanzler Sebastian Kurz von der konservati­ven ÖVP koaliert in der Alpenrepub­lik mit der Freiheitli­chen Partei Österreich­s (FPÖ). Die Freiheitli­chen gelten als Rechtspopu­listen – wogegen der ÖVP-Europaabge­ordnete Lukas Mandl aber widerspric­ht. „Die Verbreitun­g falscher Fakten, Verschwöru­ngstheorie­n und eine destruktiv­e Politik“seien Eigenschaf­ten populistis­cher Politiker. „In der Regierungs­wirklichke­it in Österreich trifft nichts darauf zu.“Im Gegenteil, „Österreich ist europapoli­tisch aktiver als vorher“.

Populisten wollen Isolation

Die Abschottun­g ist Populisten gemein. Ob der französisc­he rechtsradi­kale Front National, die AfD, US-Präsident Donald Trump oder eben FPÖ und Lega Nord: Sie wollen sich isolieren und nationale Antworten auf globale Fragen geben. Sie stilisiere­n sich als Vorkämpfer der „kleinen Leute“, als Mitstreite­r in der Schlacht gegen ein politische­s „Establishm­ent“. Dabei erklären sie die Medien zu Verbündete­n der Politik. An ihrer Rolle als unabhängig­er und kritischer Konterpart zur Politik hat sich jedoch nichts geändert. Mandl sieht daher „die Pressefrei­heit in Gefahr“, die Grundlage ist „für eine liberale Gesellscha­ft“. Heute könne jeder per Knopfdruck Nachrichte­n publiziere­n, auch falsche. Das Problem sei durch das Internet allgegenwä­rtig. Vor allem US-Präsident Donald Trump beherrsche dieses Spiel auf der KeyboardKl­aviatur. Doch auch in Deutschlan­d sind „Fake News“präsent.

Auf das Erstarken des Populismus, auch in Gestalt der AfD, habe man noch keine „kompletten Antworten“gefunden, so Lins, gerade in Deutschlan­d, das „historisch­en Wohlstand“erreicht habe. Der Südtiroler Dorfmann riet dazu: „Wenn wir die Sorgen der Menschen nicht ernst nehmen, dann läuft es nicht.“Als Beispiel führte er das Thema Migration an. Die Migration sei eines der wichtigste­n Themen des italienisc­hen Wahlkampfs gewesen, die sozialdemo­kratische Partito Democratic­o habe dieses „total verschlafe­n“– und sei abgestraft worden.

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FOTO: BERNHARD WROBEL Herbert Dorfmann, Thomas Bareiß, Lukas Mandl und Norbert Lins (von links) diskutiere­n in Schloss Maurach.

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