Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ein Programm zum Mitsingen

Jubiläumsg­ala auf der Insel Mainau mit einem überragend­en Bariton Michael Volle

- Von Dorothee L. Schaefer

MAINAU - Schwere graue Wolken hingen schon am Spätnachmi­ttag über dem Bodensee, also war der Wolkenbruc­h vor Beginn der Veranstalt­ung keine Überraschu­ng. Unter dem Sonnendach ist es zwar ziemlich trocken, aber aus dem Gras zieht die feuchte Kühle unter die nackten Plastikstü­hle und die LED-Scheinwerf­er über der Bühne beleuchten nur von oben das Orchester, die Atmosphäre wird davon nicht heimeliger. Aber sei’s drum: Die Mainau bietet immer eine gefällige Außenkulis­se.

Christian Graf Bernadotte, Präsident des Europäisch­en KulturForu­ms Mainau e. V., begrüßte die rund 600 Besucher der Jubiläumsg­ala zum 20-jährigen Bestehen und ließ in einem kurzen Überblick die KonzertHig­hlights des EKFM Revue passieren. Dann war die Bühne frei für das 50-köpfige Orchester der Ludwigsbur­ger Schlossfes­tspiele unter dem nimmermüde temperamen­tvollen Dirigenten Wolfgang Heinz, die Sopranisti­n Gabriela Scherer, den Tenor Piotr Beczala und den Bariton Michael Volle. Das Programm bot bis zur Pause einen Mix aus den allerbekan­ntesten Arien von Mozart bis Puccini und im zweiten Teil aus Operette und Musical. Ein Programm quasi zum Mitsingen, wären da nicht die Sänger, die das eindeutig besser können als ein Zuhörer in der Nähe.

Mit vollem Körpereins­atz

Michael Volle, der Sängerdars­teller, ist ein Bühnentier par excellence. Er kann schlicht alles: einen beschwingt­en Don Giovanni in der „Champagner­arie“ebenso verkörpern wie den Rodrigo, als liebevolle­r Freund im Duett mit Piotr Beczala in Verdis „Don Carlo“, mit baritonale­r Wärme erfüllen. Die liegt bei ihm auch in all seiner Gestik. Er agiert mit dem ganzen Körper, immer konzentrie­rt auf den Moment und doch völlig gelöst – ein Erlebnis, das hier auf ein paar wenigen Quadratmet­ern Bühne möglich wird.

Köstlich auch sein Schauspiel­ern im Tevje-Lied aus „Anatevka“– hinterher kann man sich keinen anderen Sänger mehr damit vorstellen. Als Graf Danilo in „Da geh’ ich zu Maxim“schildert er in fantastisc­h präziser Artikulati­on eine kleine Geschichte, der man plötzlich aufmerksam folgt. Und er schafft es auch, dass bei dem Schmalz „Lippen schweigen“eher Tränen aufsteigen als Sodbrennen. Große Stimme, großes Theater – und das alles bei einem Open-Air-Event, kaum zu glauben.

Völlig gelöst an seiner Seite ist auch die brillante Schweizer Sopranisti­n Gabriela Scherer. Und natürlich rast das Publikum nach ihrem Duett aus „Die Lustige Witwe“vor Begeisteru­ng – es klingt einfach anders, wenn das zärtliche Paar auf der Bühne auch eines im Leben ist. Zusammen mit dem polnischen Tenor Piotr Beczala, dem 2018 wieder mit zwei großen Preisen bedachten Sängerstar, singt sie Duette aus „La Bohème“und „Die Czárdásfüs­tin“. Ihr Tremolo umkleidet die Tenorspitz­entöne mit schöner Fülle, während sich Beczala mit „La donna è mobile“, „Nessun’ dorma“oder „Dein ist mein ganzes Herz“ins Herz des älteren Publikums singt. Am Ende gab es frenetisch­en Beifall und zwei launige Zugaben: das „Champagner­lied“aus der „Fledermaus“und das Trinklied aus „La Traviata“, bei dem Michael Volle anstatt mitzusinge­n pantomimis­ch herumulkt.

Tiefe Nacht über allem beim Nachhausew­eg mit dem Shuttlebus zum stockdunkl­en Parkplatz. Wie gut, dass einer eine Taschenlam­pe dabei hat und rechtzeiti­g vor den quakenden Fröschen abbiegt.

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FOTO: PETER ALLGAIER Große Stimmen, großes Theater beim Open-Air-Event auf der Insel Mainau: Tenor Piotr Beczala, Sopranisti­n Gabriela Scherer und Bariton Michael Volle (von links).

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