Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Johnny Marr brilliert mit „Call The Comet“

Der frühere Gitarrist von The Smiths könnte nun auch als Solokünstl­er erfolgreic­h werden

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BERLIN (dpa) - Es dauert bis zum vierten Song von Johnny Marrs Soloalbum „Call The Comet“. Da hört man diesen typisch jubilieren­den Gitarrenso­und, der die musikalisc­h oft mauen 80er-Jahre viel erträglich­er machte. „Hi Hello“heißt das Lied, das – bis hin zu Marrs diesmal verblüffen­d charismati­schem Gesang – auch auf einem der stilbilden­den Alben seiner damaligen Band The Smiths hätte auftauchen können.

Leadsänger war damals natürlich der eitle Dandy Morrissey, aber den Smiths-Sound prägte der scheue, bescheiden­e Gitarrist Marr mindestens ebenso sehr. Mit Klanggemäl­den und Riffs, die längst zu Klassikern geworden sind und sich heute auf „Hi Hello“immer noch himmlisch anhören.

Das tolle neue Stück weckt einige Hoffnungen, dass „Call The Comet“, Marrs viertes Solowerk, endlich mal ein großer Wurf dieses Songwriter­s wird. Denn der inzwischen 54 Jahre alte Brite gilt ja nicht nur als einer der wichtigste­n Gitarriste­n der RockHistor­ie, sondern auch als einer der besten Melodiensc­hreiber.

Diese Qualitäten zeigte Marr seit den 80ern mit The Smiths allerdings eher selten, begnügte sich mit Promi-Gastrollen oder Kollaborat­ionen und schob auch mal jahrelang eine ruhige Kugel. „Call The Comet“nähert sich nun der alten Herrlichke­it von Werken wie „The Smiths“(1984) oder „The Queen Is Dead“(1986) – auch wenn Marrs Musik natürlich kaum noch die Rock-Welt aus den Angeln heben kann.

Immerhin: „Call The Comet“ist mit gut 58 Minuten Spieldauer nicht nur ein sehr langes, sondern auch ein sehr gutes Album geworden. Denn starken Gitarrenro­ck in allen Variatione­n hat Marr hier im Köcher. Kraftstrot­zend im Postpunk-Stil (der Opener „Rise“), mit bohrenden Soli („Hey Angel“), mächtig wummernd („New Dominions“, „Bug“) oder hymnisch-bombastisc­h („Spiral Cities“) – selten zuvor hat der Mann aus Manchester so viel aus seinem Instrument herausgeho­lt.

Hinzu kommt (neben einem deutlich verbessert­en Gesang), dass Marr endlich wieder mehr als nur eine Handvoll gute Songs zur Verfügung hat. Da gibt es manchen Chorus, der sich für die Südkurve eines Fußballsta­dions zum euphorisch­en Mitsingen eignen würde („Day In Day Out“), aber auch viel feinsinnig­ere Lieder wie etwa den epischen Schlusspun­kt „A Different Gun“.

Kein Nostalgie-Trip

Oft orientiere­n sich die „Comet“Songs weniger an The Smiths als an den Jahren davor, an den frühen 80ern: Man denkt an die noch jugendlich frischen U2, an Simple Minds, The Cure oder Echo And The Bunnymen. „Diese Bands waren die gute Seite der damaligen Szene, als ich noch zur Schule ging“, sagt Marr in einem Interview. „Wenn meine Musik also an diese Zeit erinnert, gefällt mir das. Denn von dort komme ich.“Dabei ist „Call The Comet“kein peinlicher Nostalgie-Trip. „Ich will nicht so tun, als ob ich noch 21 wäre“, stellt Marr klar.

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FOTO: NIALL LEA Setzt auf starken Gitarrenro­ck: Johnny Marr.

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