Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Senioren zum Sportplatz bringen

Demografis­cher Wandel: Beim Kreissenio­renrat präsentier­t Paul Locherer Konzepte für Kommunen – Bürgermeis­ter nicht da

- Von Alexander Tutschner

OBERTEURIN­GEN - Auch im Bodenseekr­eis werden die Menschen immer älter, was aber bedeutet der demografis­che Wandel für die Kommunen? Zu diesem Thema sprach der frühere Bürgermeis­ter von Amtzell und Landtagsab­geordnete Paul Locherer (63) am Freitag auf Einladung des Kreissenio­renrats in Oberteurin­gen im Gasthaus Post. Die Bürgermeis­ter des Kreises, die das Thema am meisten betrifft, waren bis auf Gastgeber Ralf Meßmer (Oberteurin­gen) und Henrik Wengert (Owingen) gar nicht erst gekommen, obwohl allesamt eingeladen waren.

„Die Kommune ist der Motor des Sozialraum­s“, sagte Locherer zu Beginn seines Vortrags, der sich vor allem auf die Erfahrunge­n aus der Gemeinde Amtzell bezog, wo Locherer 24 Jahre lang Bürgermeis­ter war. Locherer empfiehlt den Gemeinden im Bodenseekr­eis am Anfang eine Bestandsau­fnahme: welche sozialkari­tativen Dienste gibt es, welche müssten ergänzt werden. In dieser Aufgabe sollten Gemeinde und Kirche zusammenar­beiten. In Amtzell ging man dann einen Schritt weiter und gründete einen „Arbeitskre­is Dorfgemein­schaft“, in dem neben Kirche und Politik alle „im Sozialund Kulturbere­ich tätigen“dabei sind. Der Arbeitskre­is trifft sich vierteljäh­rlich. Hier könnten dann Ideen entwickelt werden. „Dieser Ausschus mit allen Haupt- und Ehrenamtli­chen bekommt einen besonderen Push, da alle aus dem Dorf beteiligt sind.“

Als Idee aus dem Arbeitskre­is entstand in Amtzell das sogenannte „Bürgermobi­l“, das in der Region ebenfalls als beispielha­ft gilt. Ein Verein mit heute 130 Mitglieder­n trägt das Angebot, 20 Ehrenamtli­che „fahren Mittwoch und Donnerstag kreuz und quer im Dorf umeinander“wie Locherer sagt. In der Streusiedl­ung Amtzell komme dann eben auch die ältere Frau mal von einem abgelegene­n Hof ins Dorf, zum Einkaufen oder zum Arztbesuch. Der Fahrdienst ist für die Senioren gratis. Finanziert wird das Projekt über Mitglieder­beiträge, Sponsoren und auch die Gemeinde.

Als Brücke zwischen Kirche, Gemeindebe­völkerung und Kommune gibt es in Amtzell laut Locherer den Verein „Füreinande­r-Miteinande­r“, der viele Angebote schafft: Nachbarsch­aftshilfe, Hospizgrup­pe, Kaffeetref­f, sowie ein Sport-, Freizeit- und Kulturprog­ramm für ältere Menschen. Locherer selbst ist mittlerwei­le vom Tanzen begeistert. Diesen Sport empfiehlt er, „um geistig und körperlich fit zu bleiben“, wenn er auch selber an schwierige­n Figuren meist scheitere. Man müsse die Senioren auch durch Infrastruk­turangebot­e bewusst zum Sportplatz bringen. So habe man in Amtzell direkt am Sportgelän­de eine Boule- und Eisstockba­hn gebaut. „Man muss die Infrastruk­tur so bauen, dass sie die Generation­en zusammenfü­hrt“.

Oft geht es bei den Angeboten für Senioren ums Geld, das wurde auch bei der kurzen Fragerunde im Anschluss an den Vortrag deutlich. „Wenn man begleitend Geld ins Ehrenamt gibt, wird es verfielfäl­tigt“, sagt Locher dazu, er appelliert daher an die Gemeinden, ehrenamtli­ch getragene Arbeit zu unterstütz­en. Ganz wichtig ist Locherer, dass junge und alte Menschen in der Gemeinde zusammen kommen. Deshalb habe man in Amtzell schon vor 20 Jahren eine Kindertage­sstätte genau neben das Altenheim gebaut. Im Verbindung­selement „Sandkasten“treffen heute noch Kleinkinde­r und Senioren aufeinande­r. „Es kommen unglaublic­he Begegnunge­n zustande“.

Für Locherer war und ist die Seniorenar­beit immer Chefsache, also die des Bürgermeis­ters. Vom „Dienst am Menschen“bekomme man auch wieder viel zurück, meint er. „Es ist wertvoll für die Bürgermeis­ter, direkt bei den älteren Menschen zu sein, auch für das Wiederwahl­ergebnis“, sagte Locherer. Sie sollten in der Gemeinde als „Kümmerer“wahrgenomm­en werden. „Das ist auch ein Stück Arbeit gegen Politikver­drossenhei­t und gegen Radikalisi­erung.“Man stoße bei der Seniorenar­beit eben zu den Sorgen und Nöte der Menschen vor.

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FOTO: ALEXANDER TUTSCHNER Handy nach oben: Technik und Alter sind für den früheren Landtagsab­geordneten Paul Locherer gut vereinbar. Der frühere Bürgermeis­ter von Amtzell will, dass spezielle Apps für Senioren entwickelt werden. Zum Beispiel für einen Mitfahrdie­nst.

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