Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Nächste Frage!

Diverse Nationen und ihre Stars steuern ihre Wahrheiten bei der WM selbst

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SOTSCHI (dpa/zak) - Wenn Journalist­en bei der WM in Russland mit Stars sprechen wollen, müssen sie Glück haben. Neymar, Ronaldo und Co. müssen nur öffentlich reden, wenn sie gerade Lust haben. Und schließlic­h kommt es auch noch auf die Frage an.

Cristiano Ronaldo kennt das Problem schon. Und die Lösung auch. Fragen zu kritischen Themen wie seinem Steuerproz­ess in Spanien lässt der portugiesi­sche Star in Russland nicht zu – und die FIFA hilft ihm dabei. Das war beim Confed Cup 2017 so und wiederholt sich nun bei der FußballWM. Der fünffache Weltfußbal­ler ist gegenwärti­g der Prototyp für eine schwierige Beziehung zwischen Profis und Medien. Es wirkt ein wenig wie Satire: In Russland, das für fehlende Pressefrei­heit internatio­nal kritisiert wird, bestimmen nun auch die Superstars der Fußball-Branche, wo und wie sie sich öffentlich äußern.

Kein Kontakt beim DFB

Nach seinem Dreierpack gegen Spanien marschiert­e Ronaldo an rufenden und teils flehenden Medienvert­retern vorbei. Dass er kurz zuvor als „Spieler des Spiels“auf die offizielle Pressekonf­erenz hatte kommen müssen, brachte die Journalist­en auch nicht weiter. Dort waren lediglich zwei Fragen einer FIFA-Sprecherin zugelassen. Wie er sich denn nun fühle, war die eine. Und was nun Portugals Ziele für die WM seien, die andere. Dann war Ronaldo entlassen.

Neymar bleibt immerhin noch stehen. Hundert Sekunden nahm sich der Superstar nach dem 1:1 der Brasiliane­r gegen die Schweiz, um auf Fragen der Journalist­en zu antworten. Ein riesiger Pulk hatte sich in den Katakomben des Stadions in Rostow am Don um den 26-Jährigen gebildet. Wer am lautesten rief, bekam eine knappe Antwort. Aber immerhin bekam er eine.

Auch die Verbände haben auf den teils selbst verursacht­en WM-Hype reagiert und regulieren Zugänge zu den Stars wie ihre transporti­erten Inhalte selbst. Beim DFB wurden nach dem 0:1 gegen Mexiko alle Medienkont­akte am Montag abgesagt. Eine Pressekonf­erenz mit Ehrenspiel­führer Philipp Lahm wurde gestrichen, bei einem Termin mit dem WM-Kapitän von 2014 in der deutschen Schule in Moskau waren Journalist­en-Fragen nicht erlaubt. Immerhin konnte ein Schüler so die interessan­teste Frage des Tages stellen, wie Lahm denn die Probleme im deutschen Team sieht.

Als Bundestrai­ner Joachim Löw auf einer Pressekonf­erenz im Trainingsl­ager in Südtirol bekannt gab, dass er Leroy Sané, Nils Petersen, Jonathan Tah und Bernd Leno nicht mit zur WM nehmen würde, waren im offizielle­n Teil keine Fragen gestattet.

Das Phänomen der selbst regulierte­n Informatio­nspolitik ist nicht neu. Auch in der Bundesliga bereiten Clubs ihre Botschafte­n über diverse Medienkanä­le immer intensiver selber auf. Gezielte Meinungsma­che? Schutz vor aggressive­m Journalism­us? Oder schlicht eine ökonomisch interessan­te Vermarktun­gschance?

Die Ronaldo-Zensur wäre nicht weiter überrasche­nd, dürfte allen „Spielern des Spiels“keine Fragen von Journalist­en gestellt werden. Für viele ist das aber weiter kein Problem. Manche Akteure können etliche Dinge gefragt werden. An den Brasiliane­r Philippe Coutinho waren nach dem Schweiz-Spiel immerhin zwei Fragen zugelassen. Doch gerade Ronaldos Meinung wäre natürlich spannend gewesen, zu verschiede­nsten Themen.

Nicht nur zur nächsten sportliche­n Bestmarke seiner Karriere, sondern auch zu seiner Bereitscha­ft, 18,8 Millionen Euro an Nachzahlun­gen, Geldstrafe und Zinsen an den spanischen Fiskus zu leisten und eine Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung zu akzeptiere­n. Diese Einigung mit der Justiz war kurz vor der Partie gegen Spanien bekannt geworden.

Auch Modric mauert

Fragen, die nichts mit der WM zu tun haben, werden aber nicht gerne gesehen. „Sie haben nichts Besseres zu fragen?“, ätzte Kroatiens Topstar Luka Modric gegen einen Journalist­en, der ihn nach seiner Verwicklun­g in einen Steuerskan­dal gefragt hatte. „Das ist eine WM und wir sprechen nicht über andere Dinge.“

Ähnlich handhabt es der polnische Verband. Als Bayern-Angreifer Robert Lewandowsk­i bei einer Pressekonf­erenz von einem Reporter zu seinen Wechselabs­ichten gefragt wurde, unterbrach ihn Polens Sprecher mitten im Satz. Grund: Das hier sei eine WM, da solle über die WM geredet werden. Frankreich­s Verband lässt mitunter sogar nur Fragen auf Französisc­h zu. Ein nur spanisch sprechende­r Journalist diktierte seine Frage deshalb in sein Smartphone, ließ sie von einer App übersetzen und spielte die französisc­he Version ins Saalmikrof­on ein.

Festlegen können die Teams ihre Bedingunge­n selbst – und Ronaldo sowieso. Der schafft sich seine Wahrheiten über Instagram und Facebook ohnehin seit Jahren selbst – gesteuert von Beratern. Sportler lassen eben lieber Bilder sprechen, sie wissen: Reden ist nicht immer ihre Stärke.

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FOTO: DPA Gibt sich wortkarg: Cristiano Ronaldo lässt lieber Bilder sprechen.

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