Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Pfingstweid stellt bald Wohnhaus fertig
Die Einrichtung steckt in der größten Veränderung ihrer Geschichte.
TETTNANG - Ab November sollen in den Neubau der Diakonie Pfingstweid an der Weinstraße bis zu 17 Menschen einziehen. Am Freitag ist eine öffentliche Baustellenbesichtigung möglich.
Das neue Wohnhaus ist gemeindeintegriert. Das bedeutet, dass es ganz bewusst nicht auf dem Pfingstweid-Gelände gebaut wurde, sondern mitten in der Stadt. „Die Bewohner sollen in der Gemeinde Tettnang die Möglichkeit haben, ihren Lebensmittelpunkt zu finden“, sagt Robin Waltner, der bei der Diakonie Pfingstweid für den Bereich Strategie und Entwicklung verantwortlich ist.
2010 hat die Diakonie Pfingstweid sich in das Hotel Garni eingemietet, das damals auf dem Gelände stand. Aber Wohnen für Menschen mit Behinderung sei darin kaum möglich gewesen. „Kein Mensch möchte dauerhaft in einem Hotel wohnen“, sagt Pfingstweid-Vorstand Lars Kehling. Aber die Hanglage inmitten der Stadt brachte die Verantwortlichen auf die Idee, dort ein eigenes Gebäude zu errichten.
Das passt zur Gesamtstrategie der Einrichtung und zu Vorgaben der Politik. Menschen mit einer Behinderung sollen demnach in kleinen Einheiten in den Orten und nicht in sogenannten Komplexeinrichtungen leben. „Den Menschen soll eine Außenorientierung ermöglicht werden, sie sollen zum Beispiel ins Kino gehen können“, sagt Vorstand Lars Kehling. Bereits in den 90er Jahren hätte dieser Prozess begonnen. Zunächst mit der Ausweitung von ambulanten Hilfen und zuletzt mit Wohngebäuden, die sich immer weiter weg von klassischen Heimen, hin zu regulären Wohnungen gewandelt hätten. „Nur so können Menschen ihre Bürgerrolle erreichen“, sagt Kehling.
Gebäude in Eriskirch geplant
Das Gebäude an der Weinstraße reiht sich ein in ähnliche Vorhaben in Salem, Friedrichshafen oder Langenargen. In den Gebäuden leben jeweils zwischen elf und 19 Personen. Im Zentrum von Eriskirch-Schlatt plant die Diakonie Pfingsweid ein weiteres Gebäude mit 16 Plätzen. Die Anforderungen an diese Gebäude sind hoch. Es muss einzelne Bäder für jede Wohnung geben, die Wohnfläche pro Bewohner für das Wohnzimmer ist genau festgeschrieben und natürlich muss der gesamte Bau barrierefrei sein. Pro Stockwerk dürfen außerdem nicht mehr als acht Personen zusammen wohnen, bei 24 Personen ist Schluss. Hinzu kommt: Nur wer in dem vorgeschriebenen Rahmen baut, hat auch Anrecht auf eine 40-prozentige Förderung vom Land. Das Problem ist aber, dass der Topf für die Mittel in diesem Jahr bereits leer ist.
Während das Vorhaben „Weinstraße“noch gefördert wurde, gibt es für weitere Projekte bislang keinen Förderbescheid. „Natürlich könnten wir uns für das nächste Jahr bewerben, aber es gibt keine Garantie, dass es dann Geld gibt“, sagt Kehling. „Würden wir warten, dann würden wir einen Kampf mit dem System auf dem Rücken der Menschen mit Behinderung austragen“, sagt Waltner. Trotz der Unwägbarkeiten will die Diakonie Pfingstweid ihre geplanten Bauvorhaben ausführen und die fehlende Förderung selbst stemmen. Auch das Bundesteilhabegesetz, das ab 2020 gelte, werde die Sache nicht einfacher machen, sagt Kehling. Dann werden Teile der Leistungen, die bislang vor Ort mit dem Landkreis verhandelt wurden, über einen Bundessatz beglichen.
Trotz Dezentralisierung und geplanter Umbauprojekte will die Diakonie Pfingstweid an ihrem Heimatstandort festhalten. Die Mitarbeiter und Bewohner außerhalb sollen deshalb regen Kontakt halten oder auch beim Jahresfest eingebunden werden. „Wir wollen weiterhin eine eigene Kultur haben“, sagt Kehling.