Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Ernüchterung vor Papst-Besuch im „Rom der Protestanten“
Als „ökumenischer Pilger“will Papst Franziskus kommen. Doch die Erwartungen an seinen Besuch am Sitz des Weltkirchenrates in Genf (ÖRK) sind gering. Franziskus will zum 70-jährigen Jubiläum des Rates gratulieren. „Die Hauptbotschaft liegt natürlich in all den Bildern und im Ereignis selbst“, sagt ÖRK-Generalsekretär Olav Fyksel Telt. Es werde keine Verhandlungen, kein Schlussdokument, keinen gemeinsamen Gottesdienst geben. „Rom der Protestanten“wird die westschweizer Stadt Genf genannt, wegen ihrer langen protestantischen Vergangenheit. Doch trotz Papstbesuch: In den ökumenischen Bemühungen um mehr Einheit zwischen den Christen in aller Welt geht derzeit wenig voran – und das im Jahr 1 nach dem 500-Jahr-Jubiläum der Reformation, mit seinen vielen gegen- seitigen Versprechungen. Immerhin wird Franziskus mit den im Weltkirchenrat vereinten Lutheranern, Anglikanern, Baptisten, Methodisten und Orthodoxen für die Einheit der Christen beten, bevor er mit 40 000 Katholiken eine Messe feiert und nach Rom zurückfliegt.
Nach Paul VI. und Johannes Paul II. ist Franziskus der dritte römische Papst, der nach Genf kommt. Dem 1948 in Amsterdam gegründeten ÖRK gehören heute 348 protestantische, anglikanische, orthodoxe und altkatholische Kirchen sowie kirchliche Gemeinschaften mit gut einer halben Milliarde Seelen an. Die katholische Kirche ist kein Mitglied: In ihrem Selbstverständnis bezeichnet sie sich selbst als Weltkirche. Mit 1,3 Milliarden Mitgliedern weltweit würde die katholische Kirche alle Gremien des ÖRK beherrschen, die vielen kleinen Kirchen würden an den Rand gedrängt.
Auf Arbeitsebene gibt es dagegen viele Berührungspunkte: In den ÖRK-Kommissionen für Glauben, Kirchenverfassung, Weltmission und Evangelisation wirken katholische Theologen mit.
Doch derzeit hakt es in der Ökumene, theologische Fortschritte sind nicht in Sicht. Zu tief sind die Unterschiede, wenn es um das Abendmahl, das Amtsverständnis und das Kirchenverständnis geht. Immerhin sind die Zeiten vorbei, in denen die katholische Kirche den Protestanten absprach, überhaupt eine eigene Kirche zu bilden.
Zwar betont Franziskus immer wieder, ein Freund der Ökumene zu sein und besucht in Rom protestantische Gemeinden. Auch bat er die Waldenser um Vergebung, traf sich mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. und war beim Reformationsgedenken im schwedischen Lund dabei.
Doch bei konkreten Schritten bremst Franziskus. Ein Beispiel: Jüngst rief er dem Vorsitzenden der deutschen Sektion des Lutherischen Weltbunds, Bischof Gerhard Ulrich zu: „Wir müssen gehen und voranschreiten, doch nicht ungestüm vorpreschen, um begehrte Ziele zu erreichen, sondern gemeinsam geduldig gehen unter dem Blick Gottes.“Ein Brief vom Chef der Glaubenskongregation, der einer Lösung im Kommunionsstreit einen Riegel vorschob, folgte: Evangelische Partner in konfessionsverschiedenen Ehen können derzeit, anders als die große Mehrheit der deutschen Bischofskonferenz es will, nicht auf offizielle Einladung zur Teilnahme an der Kommunion setzen.
„Franziskus ist eben ein Argentinier“, zitieren Nachrichtenagenturen römische Kreise, „er tanzt Tango: ein paar Schritte vor, dann wieder einen Schritt zurück.“