Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Die Zahl der Bienenvölker steigt
Situation der Bienen weniger dramatisch als angenommen – Trotzdem lauern Gefahren
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TETTNANG - Wissenschaftler melden einen dramatischen Rückgang der Insekten. Viele Menschen sehen insbesondere Bienen in Gefahr. Werner Vooren dagegen gibt Entwarnung. Er ist seit 22 Jahren Vorsitzender des Imkervereins TettnangFriedrichshafen. Die Varroa-Milbe bleibt zwar eine Bedrohung, aber die Zahl der Imker in Tettnang und Friedrichshafen steigt stetig - und mit ihnen die Bienenvölker.
Im Raum Tettnang/Friedrichshafen sind die kritischen Jahre demnach vorbei. Kritisch waren sie nicht, weil die Bienen verhungerten, sondern weil den Imkern der Nachwuchs fehlte. 187 Mitglieder hatte der Imkerverein, als Vooren den Vorsitz übernahm. „Danach ging’s runter auf 116, weil viele zu alt wurden“, sagt Vooren. „Heute haben wir über 200 Mitglieder.“Alle zwei Jahre gibt der Imkerverein Kurse für Anfänger. „Der letzte hatte 45 Teilnehmer, der vorletzte 54“, sagt Vooren. Die meisten von ihnen werden Mitglieder im Verein, der sie anhält, weitere Bienenvölker zu züchten. Auf 1400 bis 1500 Honigbienenvölker schätzt Vooren die derzeitige Zahl im Imkerverein Tettnang-Friedrichshafen. Das Wachstum ist überdurchschnittlich. „Im Deutschen Imkerbund geht die Zahl der Bienenvölker jährlich um 1,5 bis 1,8 Prozent rauf. Bei uns im Verein um 2,5 bis drei Prozent“, sagt Vooren.
Varroa-Milbe bleibt gefährlich
Die aus Asien eingeschleppte Varrioa-Milbe bleibt aber eine Gefahr. „Wer sie nicht bekämpft, hat in zwei Jahren keine Bienen mehr. Die Milbe vermehrt sich jeden Monat um das Doppelte“, so Vooren. Nur: „Die Mittel, die wir haben, wirken immer weniger.“Rund 23 Prozent der Bienenvölker fallen der Varroa-Milbe zum Opfer. Dass die Gesamtzahl der Völker trotzdem steigt, verdeutlicht die Anstrengungen der Imker.
Auch das Wetter kann zur Bedrohung werden – wie in diesem Jahr. Dass auf einen warmen Januar ein kalter Februar folgte, wurde den Bienen zum Verhängnis. Aufgrund der Wärme haben die Bienenköniginnen schon mit der Eiablage begonnen. Die Brutnester mussten in der Februarkälte dann aber von den Bienen mit ihren Körpern warm gehalten werden. „Weil sich die Bienen auf die Brut zurückzogen, waren sie vom Winterfutter in den Stöcken zu weit entfernt und verhungerten“, erläutert Vooren. Er verlor ein Drittel seiner Bienen.
Aber was ist mit der Landwirtschaft? Mit Monokulturen und Spritzmitteln? Die Lage habe sich stark verbessert, sagt Vooren. „Früher hatten wir pro Jahr fünf bis zehn Spritzschäden, bei denen die Bienen tot vor den Fluglöchern lagen. Heute keine mehr.“Vooren sieht die Landwirte als Partner. Wenn Imker einen guten Platz für ihre Bienenstöcke suchen, finde sich immer ein Landwirt der sie gerne aufstelle. Seit 2010 arbeiten die Imker mit den Obstbauern auch offiziell zusammen. Damals startete die REWE Group mit der Obst vom Bodensee Vertriebsgesellschaft mbH, der Bodensee-Stiftung und den Imkern ein Gemeinschafts- projekt zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Wildbienen. Im Bodenseekreis und im Kreis Konstanz werden Blühstreifen angelegt und Nisthilfen installiert – sogenannte Wildbienenhotels. „Im ersten Jahr haben wir 22 verschiedene Arten von Wildbienen gezählt, im dritten Jahr 57 und im letzten 128“, schildert Vooren den Erfolg.
Kritisch sieht er Obstplantagen, an denen gar keine Blühstreifen mehr angelegt werden können, weil die Flächen bis an den Rand mit Bäumen bepflanzt sind. Auf der anderen Seite bieten diese Obstplantagen den Bienen in ihrer normalerweise sechswöchigen Blütezeit ein reiches Nahrungsangebot. „Die Obstblüte kann pro Volk 20 bis 30 Kilo Honig bringen“, sagt Werner Vooren. Im Ganzen sieht er die Bienen in Friedrichshafen und Tettnang nicht von Hunger durch eine monokulturelle Landwirtschaft bedroht. „Dazu ha- ben wir eine viel zu gemischte Flur – kleinere Wälder, Heckenabschnitte, teils Sumpfgebiete. Trotzdem ist in Sachen bienenfreundlicher Landwirtschaft noch Luft nach oben. Gangbare neue Wege sind in Pfullendorf und Amtzell ablesbar. Dort werden Maisfelder teilweise mit Silphie bestellt. Die bis zu drei Meter hohe Pflanze gilt als gute Bienenweide. „Einmal gepflanzt, bringt sie 40 Jahre Ernte, ohne Dünger und Arbeit“, sagt Vooren. Nach der Blüte, im Herbst, wird die Silphie in die Biogasanlage gesteckt. „Sie liefert 80 Prozent des Methangasertrags von Mais“, weiß Werner Vooren.
Drei Kilometer Flugradius
Woran kann es liegen, dass mancher Gartenbesitzer die Honigbienen in den eigenen Blumenbeeten vermisst? Zum einen am Flugradius der Honigbienen. Sie fliegen etwa drei Kilometer weit und ihr Ziel ist immer die sogenannte „Massentracht“. So heißen im Fachjargon jene Stellen, an denen sie am meisten Pollen und Honig sammeln können – also blühende Obstbäume oder Löwenzahnwiesen, später im Sommer Wildblumen, Bromund Himbeerbüsche sowie blühende Linden. Gärten, in denen sich keine Biene blicken lässt, fehlt es entweder an ertragreicher Bepflanzung oder es gibt schlichtweg kein Bienenvolk in der näheren Umgebung. Mit einer Nisthilfe kann man dafür sorgen, dass Wildbienen heimisch werden. Mit einer Flugweite von etwa 80 Metern ist ihr Radius sehr viel eingeschränkter. „Wichtig ist, dass immer etwas blüht. Dann kommen auch die Wildbienen wieder.“