Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Theresia Milz und andere erinnern sich an Ersten Weltkrieg in Hemigkofen und Nonnenbach
Hofanlage Milz zeigt im Juli die außergewöhnliche Ausstellung „Das vergisst man gar nicht“mit Fotos und Dokumenten aus Privatbesitz
(sz) - Eine besondere Ausstellung unter dem Titel „Das vergisst man gar nicht“ist ab kommenden Sonntag etwa vier Wochen lang auf der Hofanlage Milz in Kressbronn-Retterschen zu sehen. Veranstalter ist die Arbeitsgruppe Erster Weltkrieg im Verein zur Erhaltung der Hofanlage, die mit der Ausstellung die Jahre des Ersten Weltkriegs in Hemigkofen und Nonnenbach beleuchtet. Eröffnung ist am Sonntag, 1. Juli, um 14 Uhr. Anschließend ist die Ausstellung bis 17 Uhr geöffnet.
„Das vergisst man gar nicht“erinnerte sich die 1907 geborene Theresia Milz noch im hohen Alter von 83 Jahren an ihre Kindheit, die geprägt war von Entbehrungen und Kriegserlebnissen. Seit 2014 wird vielfältig an den 100 Jahre zurückliegenden Ersten Weltkrieg erinnert. Besonders in regionaler und lokaler Hinsicht wurde dem Thema Raum gegeben. Die Bedeutung, die die Zeit des Ersten Weltkriegs für den Hof Milz und seine Bewohner hatte, ist beispielhaft für die beiden damaligen Gemeinden Hemigkofen und Nonnenbach, die 1934 zur heutigen Gemeinde Kressbronn zusammengeschlossen wurden. Deshalb bildete sich im Verein zur Erhaltung der Hofanlage Milz eine Arbeitsgruppe Erster Weltkrieg, die in aufschlussreichen Jahrbuchbeiträgen (2015/ 2016) und in einer außergewöhnlichen Lesung (2017) ihre Erkenntnisse über die Kriegsjahre 1914 bis 1918 in den damaligen Gemeinden öffentlich machte.
Jetzt, im letzten Jahr des Weltkriegsgedenkens, möchte die Arbeitsgruppe mit einer Ausstellung die vier Jahre währende Kriegsepoche aus der Perspektive der beiden Gemeinden sichtbar machen. Sie befasst sich nicht mit der offiziellen Geschichte des sogenannten Großen Krieges, die mittlerweile bestens aufgearbeitet ist und nachvollzogen werden kann. Vielmehr soll den Auswirkungen des Krieges auf das Leben in den beiden Dörfern, den Schicksalen der hiesigen Kriegsteilnehmer und ihrer Angehörigen nachgespürt werden, die in den Geschichtsbüchern nicht vorkommen. Die Ausstellung stützt sich ganz wesentlich auf Fotos und Dokumente aus Privatbesitz, die die Eigentümer großzügig zur Verfügung gestellt haben, aus öffentlichen Einrichtungen, wie Gemeinde, Pfarr- oder Vereinsarchive, und die damalige Zeitungsberichterstattung.
Reproduktionen historischer Bilder führen ganz persönlich jene Menschen aus Hemigkofen und Nonnenbach vor Augen, die die Kriegszeit erlebten: Soldaten mit ihren Erfahrungen an der Front, aber eben auch ihre Familien, Frauen, Kinder, Eltern zu Hause mit ihren Belastungen, ihren Sorgen und ihrer Trauer. Den Bildern zur Seite stehen Dokumente, in denen die Betroffenen das Erlebte und ihre Gefühle in Worte fassten. Weil heute nur noch wenige diese Texte lesen können, wurden viele von ihnen in heutige Schrift übertragen. Durch die Verknüpfung von Bildzeugnissen, persönlichen Äußerungen und Erläuterungen ergeben sich aufschlussreiche und zuweilen ergreifende Geschichten über das Leben in einem hundert Jahre zurückliegenden Krieg, den von den heute Lebenden keiner erlebt und an den niemand mehr eine persönliche Erinnerung hat.
Eine Ausstellung dieser Dimension ist für die Hofanlage Milz eine Premiere. Sie wird in verschiedenen Räumen mit jeweils unterschiedlichen Themenschwerpunkten und wechselnden Präsentationsformen gezeigt. Den Klimabedingungen auf dem Hof geschuldet und um die wertvollen Originale zu schonen, sind überwiegend Reproduktionen zu sehen. Manche interessanten Dokumente können die Besucher als Reproduktionen selbst zur Hand nehmen.
Alle Interessierten sind eingeladen, sich auf diese Weise mit der Bedeutung der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“für die damaligen Gemeinden und ihre Bewohner auseinanderzusetzen.