Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Minister rebellieren gegen eigene Behörde
Nach teurem Debakel um Schulsoftware: Politiker wollen IT-Dienstleister selbst auswählen dürfen
STUTTGART - Wenn Ministerien und Landesämter einen Computer oder eine neue Software benötigen, haben sie nur eine Anlaufstelle: Seit Juli 2015 müssen sie sich zwingend an die BitBW wenden. Die damals grünrote Regierung hat diese Landesoberbehörde per Gesetz zum zentralen IT-Dienstleister gemacht. Seit dem verpatzten Start der Bildungsplattform „Ella“fordern nun immer mehr Politiker, diesen Zwang abzuschaffen. Das könnte auch Steuergeld sparen.
Seit Februar sollten Schüler, Lehrer und Eltern in Baden-Württemberg auf die „elektronische Lehrund Lernassistenz“(Ella) zugreifen können. Sie sollten Daten tauschen und auf sicherem Weg E-Mails versenden können. Kurz vor dem Start zog Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) aber die Notbremse, weil es technische Mängel gab. Wie massiv diese sind, hat inzwischen ein externes Gutachten aufgelistet. Auf der Suche nach den Verantwortlichen für das Debakel blicken nun immer mehr Landespolitiker Richtung BitBW.
Jüngst hat etwa Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) deutlich gesagt, was er vom BitBW-Zwang hält. Er möchte es möglichst allen Bauern ermöglichen, auf Satellitendaten zuzugreifen, damit sie ihre Felder mit digitaler Hilfe noch genauer bewirtschaften können. Dazu muss das bestehende System ausgebaut werden – und hier kommt eigentlich die BitBW ins Spiel. „Die Vorgänge mit Ella sind kein Anlass für 120-prozentiges Vertrauen in BitBW“, erklärte Hauk dazu. „Wenn die die Arbeit nur vergibt, können wir das auch direkt machen.“Bei Ella hat BitBW den Auftrag an den kommunalen Dienstleister KIVBF vergeben, der wiederum 90 Prozent der Arbeiten an Subunternehmer abgegeben hat.
Der Zwang soll weg
Dass der BitBW-Zwang hinterfragt werden muss, sagten Landespolitiker verschiedener Fraktionen auch am Donnerstag im Bildungsausschuss des Landtags. Erneut ging es hier um Ella (siehe Kasten). „Das Gesetz, dass wir immer BitBW beauftragen müssen, sehen wir nicht in Stein gemeißelt“, sagte Timm Kern (FDP). „Da scheint Verbesserungsbedarf zu sein.“Ähnlich äußerte sich Sandra Boser (Grüne) und Siegfried Lorek (CDU). Manch Abgeordneter verweist zudem auf mögliche Einsparungen von Steuergeldern, wenn Aufträge am Markt vergeben werden dürften. Auch die Kultusministerin kritisierte, dass sie BitBW habe beauftragen müssen: „Ich hätte auch auf den Markt gehen können“, sagte Eisenmann und betonte, dass sich manch Kollege von ihr mehr Beinfreiheit wünsche. „Es gibt auch andere Projekte in anderen Ministerien.“
Die SPD sieht indes keinen Grund für die Stimmung gegen BitBW. Sie verantwortete das Innenministerium, als das BitBW-Gesetz 2015 eingeführt wurde – die BitBW ist dem Innenministerium unterstellt. „Aus unserer Sicht ist nicht das Gesetz das Problem, wenn das Innenministerium und das Kultusministerium vor der Beauftragung keine angemessene Prüfung vornehmen“, erklärt Stefan Fulst-Blei und verweist auf einen Absatz im Gesetzestext. Darin sei geregelt, dass Ausnahmen vom Zwang möglich seien.