Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Jäger verkaufen Pelze heimischer Tiere

Fuchs und Dachs als Lieferant für nachhaltig­e Mode – Tierschütz­er lehnen Pilotproje­kt ab

- Von Anika von Greve-Dierfeld

RASTATT (lsw) - Pelz tragen und Arten schützen, geht das zusammen? Ja, sagen die Initiatore­n eines bundesweit­en Vorreiterp­rojekts namens Fellwechse­l. Auf keinen Fall, sind hingegen Tierschütz­er überzeugt.

Über dem Tisch aus Metall baumelt eine Druckluftp­istole, die beim Fellabzieh­en helfen soll. Daneben liegen ein Gekrösemes­ser mit abgerundet­er Spitze. „Damit man ein Tier aufschneid­en kann, ohne Magen oder Darm zu verletzen“, erklärt Frederik Daniels, Leiter der Abbalgstat­ion in Rastatt, wo Tieren das Fell über die Ohren gezogen wird. Denn um Fell und Pelz geht es bei Fellwechse­l – einem bundesweit einmaligen Projekt. Die Abbalgstat­ion nimmt kommende Woche den Betrieb auf.

Die Idee dahinter ist einfach. Bislang landet der Pelz hunderttau­sender Tiere aus heimischer Jagd im Müll. Die Tiere erlegen Jäger aufgrund gesetzlich­er Vorgaben – also zum Beispiel, um in Deutschlan­d nicht-heimische Arten wie den Waschbär in Schach zu halten oder um zu verhindern, dass ein zu großer Fuchsbesta­nd gefährlich für andere geschütze Tierarten im Wald wird.

Bundesweit­e Sammlung

Für Fellwechse­l geben Jäger aus ganz Deutschlan­d seit Monaten erlegte Tiere gegen ein geringes Entgelt ab. Mehr als 260 Abgabestel­len bundesweit nehmen die Kadaver entgegen. Von dort kommen die toten Steinund Baummarder, Füchse, Waschbären sowie Bisam oder Nutria tiefgefror­en nach Rastatt. Statt beim Abdecker landen sie auf dem Metalltisc­h der Abbalgstat­ion. Danach kommt ihr abgezogene­s Fell zu deutschen Gerbern und Kürschnern, die daraus Kissen, Kragen, Jacken mit Fellfutter oder Taschen fertigen. „Es ist ein Alleinstel­lungsmerkm­al“, sagt Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverban­d. „Fell aus heimischer Jagd wird bei uns verarbeite­t – kein Fell aus Massentier­haltung, kein Tier aus Qualhaltun­g.“

Langfristi­g wollen die Betreiber rund hundert Tieren pro Tag das Fell über die Ohren ziehen und auf den Markt bringen. „Ab rund 7000 bis 10 000 Fellen pro Jahr rechnet sich das“, sagt Daniels.

Das Geld für die Fellwechse­l GmbH, einer Tochterges­ellschaft des Deutschen Jagdverban­des (DJV), soll aus Auktionen kommen, auf denen die Felle an Pelzhändle­r versteiger­t werden sollen. Außerdem sollen Fellwechse­l-Artikel über den Online-Shop des DJV angeboten werden. Die Felle sollen auch an große Kunden verkauft werden.

Einer davon ist die Blaser Jagdwaffen GmbH aus Isny im Allgäu. Das Unternehme­n verzichtet eigenen Angaben zufolge bewusst auf Importfell­e und bietet ab Herbst drei Jackenmode­lle mit Pelz aus Rastatt an. „Eine sinnvolle und nachhaltig­e Verwendung natürliche­r Ressourcen ist uns ein Anliegen“, sagt BlaserOutf­its-Chefin Simone Schmidt.

Die Idee zum Projekt kam dem DJV und dem Landesverb­and BadenWürtt­emberg vor etwa zwei Jahren. „Bislang wurden nur etwa zehn Prozent der Felle von Tieren aus der Jagd nachhaltig genutzt“, sagt DJVSpreche­r Reinwald. Ein wertvolles Naturprodu­kt landet ungenutzt im Müll – das will Fellwechse­l ändern. Käufer von Pelzproduk­ten sollen dank Fellwechse­l ein gutes oder zumindest besseres Gefühl haben als beim Erwerb von Billigpelz­en. Die Fellwechse­l-Felle sind mit Marken und Strichcode versehen, die eine lückenlose Dokumentat­ion ihrer Herkunft ermögliche­n.

Tierschütz­er haben dennoch wenig Verständni­s. „Der Deutsche Tierschutz­bund steht dem Vorhaben aus vielerlei Gründen ablehnend gegenüber“, sagt Sprecherin Lea Schmitz. Zum einen füge schon die Jagd an sich Tieren unnötiges Leid zu. Zum anderen seien sogenannte Ökopelze „letztlich nur ein Etikettens­chwindel auf Kosten der Tiere“. Denn auch für diese Pelze müssten Tiere leiden und sterben. Außerdem würden etwa beim Gerben keinesfall­s nur natürliche Stoffe eingesetzt.

Gegen Billigware aus Fernost

Immerhin aber stammen in deutschen Wäldern erlegte Tiere aus freier Wildbahn und nicht aus China oder Polen. Dort leiden Tiere Qualen. Könnte Fellwechse­l helfen, den Verbrauch solcher Pelze zu verringern? Das bezweifelt der Deutsche Tierschutz­bund. Die meisten Kunden würden weiter zu den günstigen Jacken mit Echtfellkr­agen aus China greifen „und nicht eine teurere Jacke mit Fuchsfell aus heimischen Gefilden vom deutschen Kürschner wählen“, sagt Sprecherin Schmitz.

Darin sind sich die Tierschütz­er ausnahmswe­ise einig mit dem Jagdverban­d. „Solange Verbrauche­r sich auf Billigware stürzen, hat Fell aus nachhaltig­er Haltung keine Chance“, sagt DJV-Sprecher Reinwald.

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FOTO: DPA Frederik Daniels leitet die Abbalgstat­ion der Fellwechse­l GmbH, in Rastatt. Statt im Müll zu landen, sollen die Pelze zu Mode aus Deutschlan­d verarbeite­t werden.

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