Schwäbische Zeitung (Tettnang)
„Augen und Ohren zuhalten ist keine Strategie“
AUGSBURG - Auf der zentralen Kundgebung bei den Anti-AfDProtesten in Augsburg trat auch Kevin Kühnert (Foto: dpa) auf, Vorsitzender der SPD-Jugendorganisation Jusos. Am Rande der Demo hat Sebastian Heinrich mit ihm gesprochen – über den Protest gegen die AfD und die Regierungsarbeit der SPD.
Herr Kühnert, bei der Demo hier in Augsburg fällt auf: Von Antifa bis konservative Grüne protestieren hier ganz unterschiedliche Menschen gegen die AfD. Ist das aus Ihrer Sicht ein Problem?
Nein, ganz im Gegenteil, ich nehme das als eine Stärke war. Es gibt hier einen Minimalkonsens, auf den sich alle einigen können, die vielleicht auch sonst im politischen Alltag unterschiedliche Meinungen vertreten. Und zwar, dass das, was die AfD an Menschenbild und an Spaltung in die Gesellschaft trägt, keine Grundlage von politischer Debatte sein kann.
Haben Sie den Eindruck, dass im vergangenen Jahr der Widerstand gegen die AfD in der Gesellschaft gewachsen ist?
Das glaube ich schon. Vor einigen Wochen sind in Berlin einige Zehntausend Menschen auf die Straße gegangen gegen die AfD. Ich glaube, viele haben einfach gemerkt: Die AfD ist nicht einfach ein Phänomen, das nach zwei, drei Jahren wieder vergeht – wie man das vielleicht vorher gedacht hat. Sondern hinter der AfD steht zwar nicht die Mehrheit, aber ein nicht unerhebliches Potenzial in unserer Gesellschaft. Und Augen und Ohren zuhalten ist keine Strategie, um dem zu begegnen – sondern man wird sich dagegen wehren müssen. Die AfD greift ganz viele Menschen in unserer Gesellschaft an. Wer glaubt, er sei nicht davon betroffen und sei nicht gemeint, der wird zumindest bei Familie, Freunden oder Arbeitskollegen Menschen finden, die unmittelbar von der AfD in ihrem Lebensstil und ihrer Einstellung angegriffen werden. Und das müsste nach meiner Einschätzung eigentlich schon ausreichen, um den Mund aufzumachen.
Wie zufrieden sind Sie mit der Regierungsarbeit der SPD bis jetzt?
Als jemand, der diese Koalition nicht unbedingt haben wollte, habe ich mir natürlich keine Illusionen gemacht. Dass wir jetzt eine Riesenkrise zwischen den Unionsparteien gibt, hat wohl so niemand kommen sehen. Klar: Gelegentlich würde ich mir von meiner Partei einen etwas höheren Lautstärkepegel wünschen in der Auseinandersetzung, weil wir ja in den letzten Wochen sehr deutlich klargemacht haben, dass das, was die CSU veranstaltet, aus unserer Sicht ein Frontalangriff auch auf Errungenschaften der europäischen Einigung ist – und dass da für uns auch eine rote Linie des guten Geschmacks überschritten wurde.