Schwäbische Zeitung (Tettnang)

AfD träumt vom Aufstieg zur Volksparte­i

Erika Steinbach führt Stiftung – Rentenkonz­ept wird auf 2019 vertagt

- Von Daniel Hadrys

AUGSBURG - Je später der Abend, desto lauter die Redner. Nach einem zähen Arbeitspar­teitag der AfD in der Schwabenha­lle der Messe Augsburg kocht die Stimmung hoch. Am fortgeschr­ittenen Samstag streiten Delegierte um die Anerkennun­g einer parteinahe­n Stiftung. Die einen sehen darin einen Schritt auf dem Weg zur „Systempart­ei“und eine Gefahr für ihre Glaubwürdi­gkeit. Denn auch andere Parteien erhalten Gelder aus der staatliche­n Parteienfi­nanzierung, die AfD hatte dies früher harsch kritisiert. Die anderen sehen darin eine Chance, mit einem möglichen Millionenb­etrag unter anderem Bildungsar­beit im Sinne der

AfD zu betreiben.

Mit der Debatte will die AfD, wie angekündig­t, Liegengebl­iebenes abarbeiten. In diesem Punkt gelingt ihr das, Kritiker werden überstimmt. Die Desiderius-Erasmus-Stiftung unter der Ex-CDU-Frau Erika Steinbach, der früheren Chefin des Bundes der Vertrieben­en, setzt sich durch. Der Griff in die „Fleischtöp­fe“, so ein Delegierte­r, soll ab der kommenden Wahlperiod­e möglich sein. Das „politische Endziel“sei jedoch laut Antrag, das System der parteinahe­n Stiftungen abzuschaff­en.

Mehrere Ideen für die Rente

Ein anderer Streit wird vertagt. In der Partei kursieren mehrere Rentenkonz­epte. Co-Parteichef Jörg Meuthen fordert, die gesetzlich­e Rente abzuschaff­en. Der Wirtschaft­sliberale schlägt eine regelhafte private Altersvors­orge vor. Der Thüringer Parteichef Björn Höcke vom rechtsnati­onalen „Flügel“hingegen schlägt einen Rentenaufs­chlag vor – für deutsche Staatsbürg­er. Auch Beamte und Selbststän­dige sollen Beiträge an die gesetzlich­e Krankenkas­se zahlen, das Rentennive­au soll steigen – klassische Forderunge­n der Linken. Eine Diskussion über die Ideen gibt es nicht, die Programmat­ik der AfD bleibt „unvollende­t“– wie auch Meuthen sagt. Bei den Konzepten geht es um die Frage, ob die Partei bei der Rente einen liberalen oder einen nationalen und sozialen Weg einschlägt, es geht um mehr Staat oder weniger.

Darüber entschiede­n werden soll bei einem Sonderpart­eitag in Sachsen im kommenden Jahr. Ort und Zeit sind bewusst gewählt. In Ostdeutsch­land wählen 2019 drei Bundesländ­er einen neuen Landtag: Sachsen, Brandenbur­g und Thüringen. Höckes Konzept könnte Stimmen von SPDund Linken-Wählern einbringen. Der Thüringer sagt gar, die AfD habe Chancen, dabei „den ersten blauen Ministerpr­äsidenten der Geschichte“zu stellen. In Sachsen hatte sie bei der Bundestags­wahl 2017 besser abgeschnit­ten als die CDU.

Bis 2019 ist noch etwas Zeit. Doch in diesem Jahr nahen die Landtagswa­hlen in Hessen und Bayern. Dort will die AfD nach der CSU zweitstärk­ste Kraft werden und verlässt sich dabei auf ihr Kernthema, die Migration. AfD-Chef Alexander Gauland vergleicht in seiner Eröffnungs­rede Bundeskanz­lerin Angela Merkel mit dem DDR-Machthaber Erich Honecker, sieht das Land in seinen letzten Tagen wie einst das kommunisti­sche System im Jahre 1989.

Der kalkuliert­e Skandal ist ebenso Teil der AfD-Strategie wie der Satz „Merkel muss weg“. Gauland aktualisie­rt ihn. Gleich das gesamte System müsse weg. Dazu zählt er auch CDU/ CSU. Man würde es zwar begrüßen, dass Bundesinne­nminister Horst Seehofer und Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder Pläne für die Asylpoliti­k präsentier­en. „Aber die CSU ist mitverantw­ortlich für alles, was Merkel unserem Land angetan hat“, sagt er und spricht vom „Kontrollve­rlust“. Gauland warnt vor einem „Bevölkerun­gsaustausc­h“– das ist Rhetorik des rechtsnati­onalen Flügels – und Meuthen macht später deutlich, wen er sich als Partner im Kampf dagegen wünscht: „Heinz-Christian Strache, Sebastian Kurz, Matteo Salvini und auch Viktor Orban“– bis auf Österreich­s Kanzler Kurz allesamt europäisch­e Politiker vom rechtspopu­listischen Rand.

Kurz verbietet es sich jedoch später, von der AfD als Partner bezeichnet zu werden.

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