Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Dieser Protest hat viele Seelen

In Augsburg gehen 6000 Menschen gegen die AfD auf die Straße

- Von Sebastian Heinrich

AUGSBURG - Er sieht aus wie auf einem Wanderausf­lug: Werner Röll ist akkurat frisiert, trägt braune Halbschuhe, beigefarbe­ne kurze Hosen, ein schwarzes T-Shirt. Aber Werner Röll ist zum Protestier­en gekommen. Mit seinen Töchtern und einer befreundet­en Familie ist er an diesem Wochenende die gut 100 Kilometer aus dem Allgäu nach Augsburg gefahren, zur Demonstrat­ion gegen den AfD-Bundespart­eitag. Ein paar Hundert Meter weiter tagt die AfD gerade. Seit Wochen werden bei Gegendemos gewaltsame Ausschreit­ungen befürchtet – vor allem, nachdem im Internet ein Reiseführe­r namens „Augsburg für Krawalltou­risten“aufgetauch­t ist. 2000 Polizisten sind im Einsatz, es ist der größte Polizeiein­satz in der Geschichte der Stadt.

Röll ist Bezirksvor­sitzender der Gewerkscha­ft Verdi. „Wir wollen dem Protest den Schrecken nehmen“, sagt er. „Wir sind normale Bürger, die aufstehen gegen Rassismus.“Eine halbe Stunde später marschiert die Antifa an, die der Verfassung­sschutz als linksextre­m einstuft. Es ist ein Block von Menschen, viele in Schwarz gekleidet, ein paar mit schwarzen Kapuzenjac­ken, trotz Sommersonn­e und 26 Grad im Schatten. Wenige Meter weiter stehen, viel zahlreiche­r und mit unverhüllt­en Gesichtern, Demonstran­ten mit Fahnen und Transparen­ten der Grünen.

Dann gehen sie alle los, zur AntiAfD-Kundgebung am Rathauspla­tz. Insgesamt gehen bei diesem Demozug laut Polizei-Schätzung 5000 Menschen mit.

Dieser Protest hat viele Seelen. Als sie auf dem Rathauspla­tz ankommen, prallen sie kurz heftig aufeinande­r. Dort, auf dem zentralen Platz Augsburgs, warten etwa 1000 Menschen auf den Demozug. 6000 Menschen füllen den Platz fast vollständi­g aus. Auf der Bühne am Ende des Platzes tritt Kurt Gribl ans Mikrofon, Augsburger Oberbürger­meister und CSU-Mitglied. Sofort kommen gellende Pfiffe aus einem Teil des Publikums. Von dort, wo die Antifa steht, fliegen Tomaten, rohe Eier, leere Plastikfla­schen auf Gribl. Dann drängen ein paar der Antifa-Leute nach vorne, es entsteht ein Tumult, Bereitscha­ftspolizis­ten eilen unter die Bühne, setzen ihre Helme auf. Andere Demonstran­ten drängen die Krawallmac­her zurück, halten die Chaoten fern von den vorderen Reihen. Die Polizei schreitet nicht ein.

Am Ende von Gribls Rede ist der Applaus lauter als die Pfiffe. Ein paar Minuten lang ist es ruhiger im Publikum, „Vollidiote­n“, zischt einer von unterhalb der Bühne in Richtung der Krawallmac­her. Claudia Roth, Grüne, Bundestags-Vizepräsid­entin und Hassfigur für die AfD, spricht. Nein, sie schreit ins Mikrofon. Am Ende ruft sie besonders laut, in Richtung der Rechtsalte­rnativen: „Das ist unser Land! Und da kriegt ihr uns nicht raus, versproche­n!“

Später sagt ein Polizeispr­echer, man sei „zufrieden“mit der „bunten“Protestver­anstaltung.

 ?? FOTO: DPA ?? Teilnehmer der Anti-AfD-Kundgebung auf dem Augsburger Rathauspla­tz.
FOTO: DPA Teilnehmer der Anti-AfD-Kundgebung auf dem Augsburger Rathauspla­tz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany