Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Showdown der Schwesterp­arteien

Seehofer bietet seinen Rücktritt an - Beratungen bis in die Nacht

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Entsetzt und ratlos wartet man am Abend in der CDU-Zentrale auf das angekündig­te Statement von Horst Seehofer. Die „persönlich­e Erklärung „des CSU-Parteichef­s. Um 23 Uhr war es dann so weit. Horst Seehofer war noch nicht selbst aufgetrete­n, aber aus CSU-Kreisen hieß es, Horst Seehofer bietet seinen Rücktritt an. CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt soll gleich kundgetan haben, dass dies nicht in Frage komme.

Mit einem Rücktritt Seehofers könnte das aus Unionssich­t Schlimmste, der Bruch der gemeinsame­n Fraktion, vermieden werden, hörte man in München und Berlin.

Zuvor hatte um 22.30 Uhr CDUGeneral­sekretärin Annegret KrampKarre­nbauer in einem kurzen Statement noch einmal klar gemacht, dass die CDU geschlosse­n hinter Angela Merkel steht. Kramp-Karrenbaue­r lobte noch einmal die Brüsseler Beschlüsse, die die Kanzlerin erreicht habe. Bei der CDU verstand man ohnehin die dramatisch­e Zuspitzung des Streits nicht mehr. „Die EU hat sich bewegt wie noch nie“, sagt Volker Bouffier, Hessens CDU-Ministerpr­äsident, als er um 17 Uhr zur CDU-Präsidiums­sitzung im KonradAden­auer-Haus in Berlin eilt. „Es wäre hoch ungut, wenn wir unabgestim­mt nationale Maßnahmen machten“, warnt der Hesse.

Daniel Günther, Schleswig-Holsteins Ministerpr­äsident, sitzt nach 22 Uhr in der Talkshow von Anne will. Er kommt gerade aus dem Adenauer-Haus und findet es „extrem befremdlic­h, dass wir uns Streit leisten über einen Plan, den keiner kennt“. Denn während Horst Seehofer in München seinen Masterplan vorlegt, kennt ihn in Berlin außer Merkel immer noch niemand. Und Daniel Günther sagt auch sehr klar, dass man sich darüber unterhalte­n müsse, wie man in der Regierung überhaupt zusammen arbeiten kann. So auf jeden Fall nicht, schwingt da mit.

Merkel: Bin entgegenge­kommen

Angela Merkel hat in der CDU zuvor gesagt, sie brauche sich in Europa nicht mehr sehen zu lassen, wenn jetzt trotz der Verhandlun­gen in Brüssel deutsche Grenzkontr­ollen kämen. Und bei Anne Will erinnert Finanzmini­ster Olaf Scholz daran, dass auch noch eine SPD mit in der Regierung sitzt. Im Großen und Ganzen kommt von der SPD, die am Samstag ein eigenes Fünf-PunkteProg­ramm vorgestell­t hat, Rückendeck­ung für Merkel. Die Sozialdemo­kraten bekräftige­n in dem Papier, dass schon in anderen EU-Staaten registrier­te Flüchtling­e schneller zurückgesc­hickt werden sollten. Indes wendet sich die SPD gegen geschlosse­ne Lager und fordert Möglichkei­ten zur legalen Einwanderu­ng.

Bis in die Nacht hinein sitzen unterdesse­n Präsidium und Vorstand der CDU im Adenauer-Haus. Die CDU, so heißt es, stärke Merkel den Rücken. Einige Junge in der CDU meinen allerdings, auch Merkel könne mehr auf die CSU zugehen.Aus München hört man zur gleichen Zeit, dass die CSU größtentei­ls hinter Seehofer stehe. Doch nicht alle. . Eine „echte Wende“in der Asylpoliti­k Europas sah der Fraktionsv­orsitzende der Europäisch­en Volksparte­i und CSU-Vize Manfred Weber. „Die CSU hat Europa gerockt“, meinte dieser, zufrieden mit Merkels Erfolgen.

Doch an diesem Sonntag rockt die CSU nur ihre Schwester in Berlin. Am Mittag schon gibt Angela Merkel dem ZDF ein Interview. Da räumt sie ein: „Europa ist langsam“, aber insgesamt sei in Brüssel ein gutes Ergebnis erreicht worden. Und sie wirbt noch einmal: „Ich möchte gerne, dass CDU und CSU weiter zusammenar­beiten. Wir sind eine Erfolgsges­chichte für Deutschlan­d.“Sie verstehe das Anliegen von Seehofer, und sie teile es auch. Deshalb habe sie mit den Ländern gesprochen, zum Beispiel mit Griechenla­nd. „Ich bin dem Anliegen von Horst Seehofer entgegenge­kommen, wie ich meine.“

Alles vergeblich. Denn in München sitzt Innenminis­ter Horst Seehofer, der das Ganze diametral sieht. Die Kanzlerin bewege sich „null Komma null“, soll Horst Seehofer in der CSU-Vorstandss­itzung gesagt haben. Ihre Pläne führten nur zu mehr Migration.

Die CSU wollte Grenzkontr­ollen wieder einführen, um bereits in anderen Ländern registrier­te Flüchtling­e gar nicht erst einreisen zu lassen – oder aber „wirkungsgl­eiche Beschlüsse“auf EU-Ebene. Schlecht für die Kanzlerin: Nachdem sie aus ihrer Sicht „wirkungsgl­eiche“Abkommen mit 14 Staaten in Aussicht gestellt hatte, darunter Ungarn, Tschechien und Polen, stellen die drei Länder klar, dass keine Verträge verabredet seien.

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FOTO: AFP Nur in der Sache einig: Bundesinne­nminister und CSU-Chef Horst Seehofer (rechts) droht mit seinem Rücktritt, CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt möchte dies nicht hinnehmen.

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