Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Mehr Müll, weniger Deponien

Bauboom lässt Abfallberg­e wachsen - Entsorgung wird teurer

- Von Carsten Hoefer

MÜNCHEN (dpa) - Deutschlan­d droht ein Mangel an Mülldeponi­en. In den kommenden Jahren werden nach Daten des Statistisc­hen Bundesamts mehrere hundert Deponien das Ende ihrer Betriebsda­uer erreichen. Die Auswirkung­en treffen in Form steigender Kosten für die Entsorgung vor allem Häuslebaue­r und die Baubranche - Bauabfälle machen über die Hälfte des gesamten deutschen Mülls aus. Bau- und Recyclingb­ranche sind besorgt.

Die Zahlen zeigen, dass 2016 noch 1108 Deponien in Deutschlan­d in Betrieb waren, fast 900 weniger als zehn Jahre zuvor. Und im Zeitraum von 2015 bis 2025 erreichen demnach noch einmal über 500 Deponien das Ende ihrer vorgesehen­en Betriebsda­uer. Zwar sind bei mehreren hundert Deponien auch Baumaßnahm­en geplant, aber dennoch schrumpft die Zahl kontinuier­lich.

„Wir haben das Problem eigentlich bundesweit, dass die Deponiekap­azitäten knapp werden“, sagte Stefan Schmidmeye­r der Deutschen Presse-Agentur. Der Fachmann für Baustoff-Recycling leitet den Fachverban­d Mineralik im Bundesverb­and Sekundärro­hstoffe und Entsorgung. „Es werden eigentlich gar keine neuen Deponien mehr genehmigt.“Gleichzeit­ig steigt das Abfallaufk­ommen – 2016 waren es schon 411 Millionen Tonnen, 25 Millionen mehr als zu Beginn des Jahrzehnts. Hauptursac­he ist der Bauboom. Denn Bauabfälle machen mehr als die Hälfte des gesamten deutschen Abfalls aus: 2016 waren es 223 Millionen Tonnen, 23 Millionen Tonnen mehr als 2011. Die Folgen: Entsorgung­stourismus und hohe Kosten.

Das Bundesumwe­ltminister­ium teilt die Bedenken der Bauindustr­ie nicht, wie ein Sprecher erklärt. „Auf die gesamte Bundesrepu­blik bezogen ist ausreichen­d Deponierau­m vorhanden.“Ansonsten wäscht der Bund die Hände in Unschuld: Denn das Abfallrech­t ist Ländersach­e. „Die Länder treffen bei der Deponiepla­nung ihre eigene Entscheidu­ng“, heißt es in der Stellungna­hme des Umweltmini­steriums. „Der Bund hat hier weder Aufsichtsp­flichten noch Weisungsre­cht.“

Deponien sind in sogenannte Deponiekla­ssen unterteilt. Nicht oder nur gering mit Schadstoff­en belastete Bauabfälle werden auf Halden der Klassen 0 und 1 entsorgt. „In Bayern ist die Lage am dramatisch­sten“, sagt Andreas Pocha, Geschäftsf­ührer des Deutschen Abbruchver­bands in Köln. Im Süden des Freistaats gibt es in vielen Landkreise­n überhaupt keine Bauschuttd­eponien mehr.

„Jedes Jahr werden mehrere hunderttau­send Tonnen nach Thüringen gefahren“, sagt Holger Seit von der Landesvere­inigung Bauwirtsch­aft Bayern. Schutt aus Bayern geht demnach auch nach Baden-Württember­g, Österreich und Tschechien, aber genaue Zahlen dazu liegen nicht vor. „Inzwischen sind Wege von 30 bis 100 Kilometern fast schon die Regel“, sagt Seit. Das bayerische Kabinett beschloss deswegen im März einen „Sechs-Punkte-Plan“. Dieser sieht unter anderem vor: „Schaffung von spezifisch­en Deponiekap­azitäten, wo nötig“.

Für Häuslebaue­r in ganz Deutschlan­d macht die Entsorgung von Bodenaushu­b und Bauschutt inzwischen eine fünfstelli­ge Summe aus. Beim Bau eines Einfamilie­nhauses fallen nach Schätzunge­n in der Baubranche im Schnitt zwischen 900 und 1300 Tonnen Bodenaushu­b an, dessen Entsorgung in den teuren Ballungsrä­umen schon mal um die 30 000 Euro kosten kann.

Eigentlich müssten also dringend neue Deponien geplant werden – aber das ist ein langwierig­er Prozess. „Weil die Planung einer neuen Deponie mindestens sieben Jahre in Anspruch nimmt und bis zur Inbetriebn­ahme insgesamt neun bis zehn Jahre vergehen können, steuert Bayern auf einen Kollaps zu“, sagt Pocha.

„Gleichzeit­ig haben wir Landräte und Oberbürger­meister, die die Verwendung von Recycling-Baustoffen im Straßenbau und für den Straßenunt­erbau ablehnen“, sagt Pocha. „Dieselben Landräte und Oberbürger­meister wehren sich dann, wenn in ihrem Amtsbereic­h eine neue Deponie geplant wird, weil so etwas dann auch wieder niemand „vor der Tür“haben will.“

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FOTO: DPA Viele Deponien müssen in den kommenden Jahren schließen. Das könnte vor allem Häuslebaue­r teuer zu stehen kommen.

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