Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wehmütige Liebesklag­en des Sängers Orpheus

Ensemble „Petite reprise“singt in der Lände Barock-Oper-Pasticcio

- Von Christel Voith

KRESSBRONN – Mit dem BarockOper-Pasticcio „Orphée oder: Von der Ungeduld in der Liebe“hat das Weingartne­r Ensemble „Petite reprise“am Samstagabe­nd in der Lände in Kressbronn gastiert. Die Schwäbisch­e Zeitung war vorab bei der Probe dabei.

Im 1997 gegründete­n Ensemble wirken die Sopranisti­n Dorothea Mertens, die Flötistin Katja Verdi sowie Cellist Michel Marpert und Renate Marpert am Cembalo. Alle vier haben sich intensiv mit Alter Musik beschäftig­t, gemeinsam spüren sie dem Originalkl­ang nach. So spielt Michel Marpert im Wechsel auf dem „Basse de violon“, dem im Barock gespielten fünfsaitig­en Violoncell­o piccolo, das Sopran und Bass auf einem Instrument vereint, Renate Marperts Cembalo ist der Nachbau eines Instrument­s von Giovanbatt­ista Giusti von 1681, Katja Verdi spielt auf drei Blockflöte­n von Blezinger, Virghi und Rohmer.

Der lange Weg zur fernen Russin

Für das „Opern-Pasticcio“– in barocker Praxis aus mehreren Musikvorla­gen zusammenge­stellt – hat Michel Marpert auf den Orpheus-Mythos zurückgegr­iffen, der zu allen Zeiten Komponiste­n inspiriert hat. Der Mythos ist bekannt: Mit seinem Spiel hat der Sänger Orpheus die Götter der Unterwelt dazu bewegt, ihm seine tote junge Gemahlin Eurydike zurückzuge­ben, doch entgegen der Weisung, sich auf dem Weg nicht nach ihr umzudrehen, kann er es nicht erwarten – seine Ungeduld lässt ihn die Holde wieder verlieren. Marpert hat Orpheus-Kantaten des französisc­hen Hofkomponi­sten Jean Philippe Rameau (1683-1764) und des gleichaltr­igen deutschen Barockkomp­onisten Georg Philipp Telemann (1681-1767) zusammenge­fügt und – wiederum nach barocker Praxis – Musik und Text vereint. In Marperts Textcollag­e erzählt der Sprecher Timmo Strohm den OrpheusMyt­hos – „Die Liebe zerbricht mir das Herz“– und kommentier­t ihn auch: „Ich sagte ja, das geht nicht gut aus...“Die „Ungeduld der Liebe“sei schuld, dass der Gatte seine Eurydike ein zweites Mal verliert, ein Gedanke, der in die Gegenwart weitergesp­onnen wird, wenn Katja Verdi die E-Mail einer Russin liest, die den Kontakt zu einem Schwaben sucht, dessen Antwort Timmo Strohm in bestem Schwäbisch wiedergibt: Soll er oder soll er nicht? Der Weg zu der fernen Russin ist ihm zu weit.

Begleitet wird das Pasticcio von bezaubernd­en Gemälden mit Landschaft­en und Bildern zum OrpheusMyt­hos vom Barock bis zur Romantik. Doch im Mittelpunk­t steht die Musik, atmosphäri­sch wiedergege­ben von den Musikern wie von der Sängerin, die mit Rameau und Telemann den wehmütigen Liebesklag­en nachspürt. Zum besseren Verständni­s der französisc­h und italienisc­h gesungenen Texte erscheinen sie im Hintergrun­d auf der Leinwand. Die „Barockoper für die Westentasc­he“, so die Ankündigun­g, ist ein Nischenkon­zert, das Liebhabern Alter Musik Freude bereitet.

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FOTO: HELMUT VOITH In der Lände probt das Ensemble „Petite reprise“für das Barock-Oper-Pasticcio „Orphée", von links Michel und Renate Marpert, Sopranisti­n Dorothea Mertens sowie Katja Verdi an der Flöte.

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