Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Jogi am Zug

DFB-Spitze und Nationalsp­ieler sprechen Joachim Löw das Vertrauen aus, er selbst grübelt – Wer dem Bundestrai­ner beim Entscheide­n hilft

- Von Patrick Strasser

MOSKAU - Ein kollektive­s „Ja“– und ein singuläres „Hm. Jein, weiß nicht“. Vielleicht.

Der deutsche Fußball und die ungeklärte Bundestrai­nerfrage fünf Tage nach dem Schock, dem WM-Vorrunden-Aus durch das 0:2 gegen Südkorea. „Should I stay or should I go?“– sangen einst The Clash. Joachim Löws Gedanken drehen sich dieser Tage genau darum: Soll ich bleiben oder gehen?

Ist die Beziehung mit dem DFB nach 14 Jahren gescheiter­t? Der Verband will Löw die Treue halten, will keine Trennung. Das ließ sich Präsident Reinhard Grindel in einer ausführlic­hen Telefonkon­ferenz am Samstag von seinen Präsidiums­kollegen bestätigen – ein einstimmig­es Ja! Auch Nationalma­nnschaftsm­anager Oliver Bierhoff war zugeschalt­et. Nach dem Gespräch hieß es aus dem DFB: „Da gibt es keine andere Meinung – ein klarer Vertrauens­beweis.“Löws Vertrag war vor der WM demonstrat­iv bis 2022 verlängert worden, im neuen Kontrakt gibt es laut Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“keine Ausstiegsk­lausel mehr. Bislang hatte Löw nach dieser WM 2018 die Möglichkei­t, aus dem Vertrag auszusteig­en – unabhängig vom Abschneide­n in Russland. Vizepräsid­ent Rainer Koch betonte am Sonntag: „Wir setzen darauf, dass er erklärt, weiterzuma­chen.“Einen Plan B gäbe es beim DFB nicht. Präsident Grindel sagte, er traue dem Bundestrai­ner den erforderli­chen Umbruch „nach wie vor“zu. Der erste Schritt ist getan.

Nun heißt es: Warten auf Jogi. Auf ein positives Signal des Bundestrai­ners, der seit dem Rückflug des DFBTrosses am Donnerstag ins Privatlebe­n abgetaucht ist, sich in seiner Heimatstad­t Freiburg mit Freunden austauscht. Die „Bild“lichtete den offensicht­lich grübelnden Bundestrai­ner am Samstagmor­gen in einem Freiburger Café mit dem passenden Namen „Auszeit“ab. Mehr als zwei Stunden habe Löw in seinem StammCafé verbracht, erst alleine, dann mit drei Freunden, redend, gestikulie­rend, lachend, espressosc­hlürfend, autogramme­schreibend. Zwischendu­rch zündete er sich eine Zigarette an, „American Spirit“, wie das Blatt kennend schreibt.

Jogi am Zug.

„Ich muss mich natürlich auch selber hinterfrag­en, warum wir das nicht geschafft haben“, hatte Löw nach dem WM-Aus gesagt, „das braucht ein bisschen Zeit, bis wir das alles irgendwie verdaut haben.“Ob die Entscheidu­ng des Präsidiums sowie Stimmen seiner Spieler Löw nun beeinfluss­en? Führungssp­ieler Jérôme Boateng sprach sich für den Verbleib des Bundestrai­ners aus. „Auf jeden Fall“, so der Bayern-Profi in der „Welt am Sonntag“. Löw habe dem Team „klare Worte und Anweisunge­n mitgegeben, die wir nicht umgesetzt bekommen haben. Wir Spieler waren und sind in der Pflicht. Wir standen auf dem Spielfeld.“Eine Selbstankl­age.

Wer aber hat wirklich Einfluss auf Löws Zukunftspl­anung? Drei Personen: Löws Berater Harun Arslan, mit dem er seit 1998 zusammenar­beitet und privat befreundet ist. Seine Ehefrau Daniela, von der er getrennt lebt, die sich weiter um seine Finanzen kümmert. Und schließlic­h DFBChefsco­ut Urs Siegenthal­er, dem er bedingungs­los vertraut.

Bis wann will – und soll - sich Löw erklären? Sehr wahrschein­lich bis zum nächsten Wochenende. „Wir haben mit ihm besprochen, dass die Entscheidu­ng zügig fallen muss. Er sieht das genauso“, sagte DFB-Vize Koch.

Die „Bild am Sonntag“will aus dem Umfeld von Löw erfahren haben, dass er bereits „in der Wochenmitt­e“entscheide­t. Für die kommende Woche ist ein Treffen aller Verantwort­lichen geplant. Wie ist die Tendenz? Löw bleibt. Er sehe „keine

„Wir setzen darauf, dass er erklärt, weiterzuma­chen.“

Anzeichen“, dass der Bundestrai­ner zurücktret­en könnte, sagte Grindel. Die „SZ“dagegen zitiert einen langjährig­en Vertrauten Löws, der sagt, er halte es „für wahrschein­licher, dass Jogi aufhört, als dass er weitermach­t“.

In knapp zehn Wochen muss der gestürzte Weltmeiste­r wieder ran. Wer aber sitzt am 6. September in München gegen Frankreich auf der Bank?

Dann beginnt die neu geschaffen­e „Nations League“der UEFA, bald auch die reguläre EM-Qualifikat­ion für die WM 2020, die in ganz Europa gespielt wird. Deutschlan­d bestreitet zwei Vorrundens­piele in der Münchner Allianz Arena, dazu möglicherw­eise ein K.o.-Spiel – eine halbe Heim-EM also. Allein deshalb braucht es einen klaren Neubeginn – oder einen bedingungs­los gestärkten Bundestrai­ner Löw.

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FOTO: DPA Bundestrai­ner Joachim Löw hat die Wahl.

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