Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Drogenabhängige haben wieder eine Anlaufstelle
Kontaktladen „Die Insel“in Ravensburg ist wieder geöffnet – Warum die Polizei erleichtert ist
RAVENSBURG (elo) - Von Januar bis März nur Notbetrieb, im April und Mai geschlossen: Der Kontaktladen „Die Insel“hat harte Zeiten hinter sich. Seit Anfang Juni ist die Anlaufstelle für drogenabhängige Menschen in der Ravensburger Rosmarinstraße nun wieder regulär geöffnet. Alleiniger Träger ist jetzt das Zentrum für Psychiatrie (ZfP) Südwürttemberg. Am Mittwoch wurde die Wiedereröffnung gefeiert. Auch die Polizei ist froh darüber, dass die „Insel“wieder existiert.
„Der Kontaktladen ist ein wichtiges Hilfsangebot für Drogenabhängige“, sagt Dieter Grupp. Der ZfP-Geschäftsführer weiß noch genau, wie es 1996 zur Gründung kam: Vorher habe es eine „Expedition“gegeben, bei der sich Fachleute aus dem Raum Ravensburg „incognito und undercover“in Zürich in die offene Drogenszene begaben. Hinterher waren sie sich einig, dass sie so etwas in Ravensburg nicht haben wollten. Deshalb das niederschwellige Kontaktangebot „Die Insel“.
Menschen mit Drogenproblemen können in den Räumen des Kontaktladens duschen, ihre Wäsche waschen und gebrauchte Spritzen gegen neue eintauschen, berichtet Streetworkerin Jessica Burk. Sie zählt zusammen mit zwei Mitarbeitern aus dem Bereich Soziale Arbeit und zwei Hauswirtschaftskräften zum neuen Team des Kontaktladens. Sie bieten ihren Klienten auch Mittagessen und Getränke. Noch viel wichtiger sei aber, dass die Besucher Gesprächspartner vorfinden – die sie beraten, auch mal zuhören und ihnen als Wegweiser dienen, sagt Burk.
„Drogenabhängige sind eine Subkultur, die sich abgrenzt“, erklärt ZfP-Geschäftsführer Grupp. Sie würden ihre Probleme meist nicht selbst anpacken, sondern die Verantwortung auf die Gesellschaft abwälzen. Aber wenn man den Kontakt halte, könne man die Ausstiegsmotivation unterstützen. Das müsse ganz locker und ohne Druck geschehen, zum Beispiel nebenher beim Wäschewaschen. „So verhindern wir die Bildung einer offenen Drogenszene auf dem Marienplatz.“
Dass das Konzept gut funktioniert, haben die Erfahrungen der vergangenen 20 Jahre gezeigt, sagt Grupp. Bis zu 7000 Besucher sind jährlich in den Kontaktladen gekommen. Allerdings habe die Finanzierung des Angebots immer Probleme gemacht. Deshalb hat sich die ursprüngliche Trägergesellschaft Suchthilfe gGmbH letztlich aufgelöst. In ihr hatten ZfP, Landkreis, der evangelische Kirchenbezirk, die Zieglerschen und die Caritas zusammengearbeitet.
Der Betrieb des Kontaktladens in der Rosmarinstraße kostet nach Angaben von Sozialdezernentin Diana Raedler 130 000 bis 150 000 Euro im Jahr, Personal und Miete eingerechnet. Das Geld muss das ZfP nicht allein aufbringen. Der Landkreis beteiligt sich mit 65 000 Euro jährlich, die Stadt Ravensburg mit 28 000 Euro. Weitere Geldmittel einbringen soll ein Förderverein, der bald gegründet wird. Er soll dann auch zusätzliche Angebote finanzieren, zum Beispiel Mietzuschüsse für einzelne Klienten.
Eigentlich sollten sich auch Nachbarstädte wie Weingarten und Nachbarlandkreise wie der Bodenseekreis an den Kosten des Kontaktladens beteiligen, findet Ravensburgs Erster Bürgermeister Simon Blümcke. „Ravensburg ist ein urbaner Kern in einem riesigen ländlichen Raum“, sagt Blümcke. „Und die anderen ducken sich weg.“In Baden-Württemberg gibt es elf Kontaktläden für Suchtgefährdete und Suchtkranke. Die nächsten liegen in Ulm, Tübingen und Lörrach.
Froh ist auch Uwe Stürmer, derzeit für die Organisation des neuen Polizeipräsidiums beurlaubter Chef der Kripo Friedrichshafen, dass es die „Insel“wieder gibt: „Wer in den vergangenen beiden Monaten mit offenen Augen durch Ravensburg gegangen ist, hat die Auswirkungen der Schließung gesehen. Ohne Hilfe und Anlaufstelle trifft sich die Szene auf den Straßen und in den Grünanlagen der Stadt.“
Der Kontaktladen „Die Insel“ist jetzt 16 Stunden in der Woche geöffnet: montags, dienstags, donnerstags und freitags jeweils 13 bis 17 Uhr.