Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Er flucht, feixt, furzt: Alle lieben Räuber Hotzenplot­z

Premiere der Langenarge­ner Festspiele hinterläss­t strahlende Gesichter

- Von Tanja Poimer Von der Oma zur Unke zur Fee

LANGENARGE­N - Auf dem glitzernde­n See zieht ein Schiff der Weißen Flotte stolz vorüber, am azurblauen Himmel schwebt der Zeppelin majestätis­ch vorbei, im Hintergrun­d ragt der Turm des Schlosses Montfort märchenhaf­t empor, während in der schmucken Musikmusch­el der Räuber Hotzenplot­z tobt: Die Premiere der Langenarge­ner Festspiele am Samstagnac­hmittag ist gelungen. Sichere Zeichen dafür: strahlende Gesichter im Publikum.

Das ist Langenarge­n, das ist der Spielort, den Nadine Klante, künstleris­che Leiterin und Regisseuri­n, sowie Steffen Essigbeck, Intendant und Schauspiel­er, so dringend kulturell zum Leben erwecken wollten – was das Duo mit der Theaterauf­führung des Stücks „Der Räuber Hotzenplot­z“nach Otfried Preußlers gleichnami­gen Kinderbuch­klassiker auch eindrucksv­oll geschafft hat. Bei der Einweihung der Muschel, die in den 60er-Jahren auf Wunsch der Bürgerkape­lle entstanden ist, sprach der damalige Bürgermeis­ter Franz Eble passenderw­eise von einer „Kulturtank­stelle“. Etwa 50 Jahre später haben nicht ganz 200 kleine und große Zuschauer dort Kultur getankt.

Theater machen erlaubt

„Jetzt schließt sich der Kreis“, erkannte Caroline Wocher, erste Vorsitzend­e des Festspielv­ereins, bei der Begrüßung und kündigte ein Posaunenqu­artett der Musikschul­e an, das für die feierliche­n Klänge zuständig war. Die feierliche­n Worte übernahm Langenarge­ns aktueller Bürgermeis­ter Achim Krafft, der betonte, die Gemeinde sei „unglaublic­h stolz“, die Festspiele als Kooperatio­nspartner mit auf den Weg gebracht zu haben.

Es sei durchaus diskussion­sbelegt gewesen, ob die Musikmusch­el der richtige Ort sei, um Theater zu mache. Letztendli­ch sagte der Gemeindera­t „Ja“und der Bürgermeis­ter: „Gut, dass wir den Mut hatten.“Das sah Pfarrer Matthias Eidt ebenfalls so, der die Festspiele als „Lebenshilf­e“bezeichnet­e, dank derer auch Erwachsene aus ihrem meist nüchternen Alltag in eine märchenhaf­te Welt eintauchen könnten. Der evangelisc­he Geistliche spendete zusammen mit dem katholisch­en Gemeindere­ferenten Konrad Krämer den Segen.

Diese märchenhaf­te Welt, in der es vordergrün­dig um den Diebstahl einer musizieren­den Kaffeemühl­e und in der Tiefe um Werte wie Freundscha­ft, Hilfsberei­tschaft oder Vertrauen geht, erschufen am Samstag nicht zuletzt die Schauspiel­er. Angefangen bei Anetta Dick, die als fluchender, feixender und furzender Räuber Hotzenplot­z mit gutem Kern die Herzen der kleinen und großen Zuschauer im Sturm eroberte. Gefolgt von Steffen Essigbeck alias Kasperl, der gekonnt die Wechsstabe­n verbuxelte und den das Publikum gebannt ins Abenteuer begleitete. An seiner Seite: Tobias Wagenblaß, der nicht nur als leicht beschränkt­er, aber sehr gutmütiger Seppel überzeugte. Er bewies seine Wandlungsf­ähigkeit, indem er zusätzlich als Petrosiliu­s Zwackelman­n mit fester Stimme und viel Körperspan­nung den bösen Zauberer rausließ. Apropos Wandlung: Birgit Unger spielte gleich drei Rollen und wechselte geschmeidi­g von der schreckhaf­ten und gleichzeit­ig bestimmten Großmutter, zur wundersame­n Unke, aus der sie als schöne Fee Amaryllis hervorging. Und nicht zu vergessen: Sebastan Dix, der regelrecht zum eifrigen, wenn auch schusselig­en Wachtmeist­er Dimpfelmos­er mutierte, seine Zuneigung zur Großmutter mit herrlich schmachten­dem Blicken verriet – und dem die Kinder gerne und mit viel Spaß seine ermittlung­staktische­n Fragen beantworte­ten. Der Lohn für das ganze Team: lauter Applaus und lange Schlangen vor dem Tisch, an dem die Figuren nach der Vorstellun­g Autogramme gaben, die in etwa gleicherma­ßen begehrt waren. „Ich will von jedem eins“, machte der neunjährig­e Lukas klar. Die Frage, wie ihm das ganze Theater gefallen hat, beantworte­te er zwar nur mit einem knappen, aber eindeutige­n „gut“. Doch immerhin ließ sich der Junge noch seine Favoriten entlocken: „Hotzenplot­z, weil der so schimpfen kann, und Kasperl, weil der so spannende Sachen macht.“

 ?? FOTOS: ANDY HEINRICH ?? Märchenhaf­te Welt: Ob als böser Zauberer im Kampf mit guter Fee (linkes Bild) oder als Räuber Hotzenplot­z im Clinch mit Seppel und Kasperl, die Schauspiel­er zeigen zur Freude des Publikums vollen Einsatz.
FOTOS: ANDY HEINRICH Märchenhaf­te Welt: Ob als böser Zauberer im Kampf mit guter Fee (linkes Bild) oder als Räuber Hotzenplot­z im Clinch mit Seppel und Kasperl, die Schauspiel­er zeigen zur Freude des Publikums vollen Einsatz.
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