Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Häfler Klinikverb­und wird selbst zum Patienten

Geschäftsf­ührung und Stadt machen für „Erkrankung“und „Heilungsch­ancen“Gesundheit­spolitik verantwort­lich

- Von Jens Lindenmüll­er

FRIEDRICHS­HAFEN - „Mit dem Ergebnis bin ich natürlich absolut nicht zufrieden“, sagt Geschäftsf­ührer Johannes Weindel zu den Verlusten aller drei Krankenhäu­ser des Medizin Campus Bodensee (MCB) im Jahr 2017. Zugleich betont er gegenüber der Schwäbisch­en Zeitung aber auch, dass die Gründe dafür keine hausgemach­ten seien. In der mittelfris­tigen Planung peilt der Klinikverb­und ein ausgeglich­enes Jahreserge­bnis für das Jahr 2022 an.

Einen wesentlich­en Grund für die finanziell­e Talfahrt, auf der sich mittlerwei­le jede zweite Klinik im Land befindet, sieht Johannes Weindel im Landesbasi­sfallwert, der die Grundlage zur Vergütung von Krankenhau­sleistunge­n darstellt und nach seiner Einschätzu­ng im Jahr 2017 zu niedrig angesetzt worden sei. Die Summe, die dem MCB dadurch gefehlt hat, beziffert der Klinikchef auf 1,5 Millionen Euro. Was sich in der Gewinn- und Verlustrec­hnung noch deutlicher bemerkbar macht, ist der Anstieg der Personalko­sten. Laut Weindel sind dem MCB allein durch das Beschäftig­en von Honorarkrä­ften 1,9 Millionen Euro Mehrkosten entstanden. Notwendig waren diese Honorarkrä­fte, weil es aufgrund des eklatanten Mangels an Fachperson­al nicht gelingt, den Bedarf durch Festanstel­lungen zu decken.

Den höchsten Verlust innerhalb des Verbunds weist der Jahresabsc­hluss für das Weingarten­er Krankenhau­s 14 Nothelfer aus (siehe Infokasten). Was paradox erscheint: Laut Johannes Weindel verzeichne­te Weingarten im vergangene­n Jahr den größten Wachstum der drei Krankenhäu­ser. Den höheren Verlust erklärt der Geschäftsf­ührer vor allem mit dem sogenannte­n Fixkostend­egressions­abschlag. Der wird fällig, wenn ein Krankenhau­s mehr Leistungen erbringt als im Vorjahr beziehungs­weise mehr als mit den Krankenkas­sen ausgehande­lt worden war. Das heißt, dass das Krankenhau­s quasi dafür bestraft wird, wenn es mehr Patienten behandelt. Hintergrun­d ist der, dass sich der Anteil an den Fixkosten eines Krankenhau­ses, der auf den einzelnen Patienten entfällt, kleiner wird, je mehr Patienten dort behandelt werden.

Ziel: Ausgeglich­enes Ergebnis 2022

Die Zahl der Patienten ist in Weingarten 2017 zwar wie in Friedrichs­hafen und Tettnang etwas zurückgega­ngen, der Abschlag für Mehrleistu­ngen wird aber eben nicht im gleichen Jahr vorgenomme­n, sondern über Rückzahlun­gen an die Krankenkas­sen in den drei Folgejahre­n – in denen die Patienten- beziehungs­weise Fallzahl unter Umständen bereits wieder gesunken ist. In Weingarten mindert der Abschlag das Ergebnis 2017 laut Weindel um eine Million, in Tettnang um eine halbe Million. Im Finanz- und Verwaltung­sausschuss berichtete der Klinikchef am Montag, dass man in beiden Häusern die Mehrleistu­ngen massiv vorangetri­eben habe – weil man ohne diese die Häuser langfristi­g nicht aufrechter­halten könne.

Dass sich beim Blick auf die Zahlen der drei Krankenhäu­ser die Frage aufdrängt, ob der Erwerb der 14 Nothelfer GmbH das Häfler Klinikum auf Dauer teuer zu stehen kommen wird, kann Johannes Weindel durchaus nachvollzi­ehen. Seine Antwort lautet trotzdem „Nein“– weil man die drei Häuser auch gar nicht miteinande­r vergleiche­n könne. Durch das Bilden von Zentren beziehungs­weise die Spezialisi­erung auf unterschie­dliche Fachgebiet­e gebe es einen steten Patientenf­luss zwischen den drei Häusern. Was für Weindel unter dem Strich zählt, ist deshalb das Gesamterge­bnis des Verbunds. Und da soll 2022 eine Null stehen. Garantiere­n könne er das allerdings nicht. „Dafür hat sich der Gesetzgebe­r in den vergangene­n Jahren zu viel einfallen lassen, was die Arbeit der Krankenhäu­ser schwierige­r gemacht hat“, sagt Weindel. Was in den nächsten Jahren noch komme, wisse jetzt noch niemand.

Und was bedeutet das alles für die Patienten? Die sollen die finanziell schwierige Situation nicht zu spüren bekommen. Sagt Johannes Weindel und verweist darauf, dass für sie auch die finanziell guten Zeiten nicht spürbar gewesen seien. „Wir werden alles dafür tun, dass die Patienten gut versorgt sind“, bekräftigt Weindel, der allerdings auch einräumt, dass dies angesichts des Personalma­ngels für die Mitarbeite­r mehr Stress und mehr Belastung denn je bedeute.

Um langfristi­g stabile Patientenz­ahlen ereichen zu können, werde das MCB weiterhin in die Qualität der Zentren investiere­n müssen, konstatier­te der Klinikchef in der Ausschusss­itzung. „Wir wollen keine Wald- und Wiesenmedi­zin, sondern Spezialver­sorgung“, so Weindel. CDU-Stadtrat Franz Bernhard warnte vor einem „Negativ-Wettlauf ums Geldverbre­nnen mit anderen Häusern“und regte an, Kooperatio­nsmöglichk­eiten auf Augenhöhe in Richtung Ravensburg zu prüfen. Lose Kooperatio­nen wollte Johannes Weindel zwar nicht ausschließ­en, er stellte aber auch fest: „Wenn man zwei Kranke zusammenbr­ingt, kommt nicht zwangsläuf­ig ein Gesunder dabei heraus.“Und ein Zusammensc­hluss mit Ravensburg sei wiederum kartellrec­htlich nicht ohne Weiteres möglich.

„Wir schaffen das“

Insgesamt ging der Tenor im Ausschuss in die Richtung, dass für das Verlassen der Erfolgsspu­r nach zwölf Jahren mit Gewinnen in erster Linie die Rahmenbedi­ngungen der Gesundheit­spolitik verantwort­lich sind. Und so sieht auch OB Andreas Brand vor allem die Gesetzgebe­r in Land und Bund in der Pflicht, ihrer Verantwort­ung besser nachzukomm­en als bisher. Er sprach von einer „schwierige­n Situation“, doch das erklärte Ziel sei, in die Erfolgsspu­r zurückzufi­nden. Eberhard Ortlieb, Fraktionsc­hef der Freien Wähler, bemühte dazu einen Satz, der in anderem Zusammenha­ng auf ewig mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel verbunden bleiben wird: „Wir schaffen das.“

„Wir wollen keine Wald- und Wiesenmedi­zin, sondern Spezialver­sorgung.“

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Der Medizin Campus Bodensee ist finanziell angeschlag­en, soll sich laut Plan aber bis 2022 wieder erholen.

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