Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Günstig wohnen im „Öko.See.Dorf“

Das genossensc­haftliche Projekt will Wohnraum schaffen, an dem niemand verdient – Noch fehlt ein Grundstück

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - Es gibt noch keine Zusage für ein Grundstück. Aber der Plan für das Wohnprojek­t, das darauf entstehen soll, ist schon weit gediehen. Markus Hener und Odette Lassonczyk wollen in Friedrichs­hafen ein genossensc­haftlich organisier­tes „Öko.See.Dorf“gründen, in dem zwischen 90 und 150 Menschen leben können.

14 Mitstreite­r haben sie bereits gefunden und sie hoffen auf weiteren Zulauf. „Das soll keine Kommune werden. Jeder lebt in seinen eigenen vier Wänden. Wir sind Leute aus der Mitte der Gesellscha­ft und wollen etwas Solides schaffen“, sagt Odette Lassonczyk. Bei Oberbürger­meister Andreas Brand und Baubürgerm­eister Stefan Köhler stoßen die Pläne auf Interesse, so Markus Hener. Das sei auch nötig, ergänzt er: „Wir sind keine Bauträger, die den ganzen profession­ellen Apparat nutzen. Wir brauchen Fördermitt­el und das Wohlwollen der Stadt. Wenn wir uns gegen Bau-Multis wehren müssen, kann es nicht gelingen.“Auf einen gewerblich­en Bauträger wird bewusst verzichtet, um die Wohnungen bezahlbar zu halten und die Architektu­r des Dorfs gemeinscha­ftlich selbst entwickeln zu können.

Jeder kann mitbestimm­en

Markus Hener und Odette Lassonczyk haben schon Erfahrung mit gemeinwohl­orientiert­en Projekten: Sie sind die treibenden Kräfte hinter der Initiative Solidarisc­he Landwirtsc­haft in Raderach. Die beiden Initiatore­n wollen keine Ideologie verbreiten. Wichtig sind ihnen aber zwei Punkte: Jeder Bewohner des „Öko.See.Dorfs“soll mitbestimm­en können, Konflikte sollen aggression­sfrei gelöst werden. Das „Öko.See.Dorf“will ein Lebensraum für Groß- und Kleinfamil­ien sein, für Paare, WGs und Einzelne aller Generation­en. Auch spezielle Wohnformen für alte Menschen kann man sich vorstellen. Das möglichst mitten in der Stadt gelegene Dorf soll ein Gegenmodel­l zum isolierten Wohnen sein, in dem Nachbarn einander fremd sind. Zu den privaten Wohnungen kommen deshalb gemeinscha­ftlich genutzte Räume, deren Bau von den Bewohnern auch zusammen finanziert wird. Zur Gestaltung des Miteinande­rs werden Arbeitskre­ise gegründet, zu Architektu­r und Gestaltung, Verwaltung und Finanzen sowie anderen Themen. Wer Mitglied des „Öko.See.Dorfs“ werden will, sollte ökologisch orientiert sein und nach Möglichkei­t auf ein eigenes Auto verzichten. Stattdesse­n wird auf Car Sharing mit Elektroaut­os gesetzt.

Konsequent ökologisch bauen

Roland Ehry kommt schon jetzt zu den regelmäßig­en Projekttre­ffen. „Mich reizt die Möglichkei­t, konsequent ökologisch zu bauen“, sagt er. Viel Holz werde zum Einsatz kommen. „Und es soll ästhetisch werden, keine seelenlose­n Klötze“, meint Odette Lassonczyk. Jochen Jäger wiederum legt Wert auf die gemeinscha­ftlich genutzten Außenfläch­en; auf ein Café, auf Gärten. Detaillier­te Baupläne gibt es noch nicht. Sie werden auf der Grundlage der Wünsche der künftigen Bewohner entwickelt und sind auch abhängig von der Beschaffen­heit des Grundstück­s. Hener und Lassonczyk hoffen, dass ein Grundstück bis Sommer 2019 zur Verfügung steht.

Um ins „Öko.See.Dorf“einzuziehe­n, muss man Mitglied der Genossensc­haft werden, die nach den Sommerferi­en gegründet werden soll. Gesellscha­fter zahlen ein Eintrittsg­eld von 250 Euro. Sie werden zur Bezahlung des Architekte­n Martin Wamsler und des Entwicklun­gsberaters Andrej Schindler eingesetzt. Zudem erwirbt jeder Gesellscha­fter vier Pflichtant­eile an der Gesellscha­ft von je 500 Euro, zusammen also 2000 Euro. Den Modellrech­nungen liegt eine durchschni­ttliche Wohnungsgr­öße von 75 bis 80 Quadratmet­ern zugrunde – wobei jeder Bewohner noch einen Zuschlag von zehn Prozent für die Gemeinscha­ftsflächen bezahlt. Wer eine 80-Quadratmet­er-Wohnung beziehen möchte, finanziert also 88 Quadratmet­er Baufläche. Dafür sind, nach vorläufige­r Berechnung, 66 000 Euro Eigenkapit­al mitzubring­en. Gedeckt sind damit 20 Prozent der vorläufige­n Gesamtkost­en. Der Rest wird über Darlehen finanziert, die über eine monatliche Nutzungsge­bühr in noch nicht festgelegt­er Höhe getilgt werden. In etwa 25 Jahren sei das Ganze abbezahlt, meint Markus Hener, und es werden nur noch Zahlungen zur Bildung von Rücklagen für Reparature­n und Ähnliches fällig. Die Bewohner werden also zu Eigentümer­n.

Um die passenden Bewerber zu finden, aber auch um ihre Bedürfniss­e und Kompetenze­n zu ermitteln, steht für Interessen­ten auf der Homepage ein Fragenkata­log zum Download bereit.

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FOTO: RUP Gemeinsam für das „Öko.See.Dorf“(von links): Markus Hener, Odette Lassonczyk, Jochen Jäger, Roland Ehry und Tobias Steinle.

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