Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Fit fürs Amt des Dekans

Bernd Herbinger wird heute ins Amt eingesetzt – Dekanat muss mit sinkenden Mitglieder­zahlen zurechtkom­men

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN/LAIMNAU - Als der Grünenpoli­tiker Joschka Fischer einst Außenminis­ter wurde, fing er mit dem Laufen an. Er habe sich „fit für sein Amt“gemacht, schrieben die Zeitungen über den plötzlich spargeldün­nen Politiker. Mit Bernd Herbinger scheint ähnliches vorgegange­n zu sein: Kurz vor der Amtseinset­zung zum Dekan hat er sein Gewicht merklich reduziert. Nur, dass das mit dem Amt nichts zu tun hat. „Ich hatte Probleme mit dem Fuß und dachte, es sei besser, wenn da nicht so viel Kilos drauf lasten“, sagt er mit einem Lachen.

Als Dekan besetzt Bernd Herbinger künftig die mittlere Ebene zwischen den Kirchengem­einden und der Diözesanle­itung. Er sollte die Wünsche und Nöte seiner Gemeinden kennen und sie „nach oben“vermitteln können, anderersei­ts aber auch auf die Umsetzung der Anweisunge­n der Diözesanle­itung hinwirken. Mit 29 Gemeinden in acht Seelsorgee­inheiten kommt da einiges zusammen.

Das Gebiet erstreckt sich von Oberteurin­gen bis Kressbronn und von Fischbach über Tettnang und das Argental bis nach Neukirch. Hinzu kommen eine italienisc­he und eine kroatische Gemeinde.

Herbinger übernimmt von Dekan Reinhard Hangst ein gefestigte­s Dekanat. „Hier im Dekanat gibt es noch eine intakte kirchliche Landschaft“, umreißt er die Lage. „Wir haben zwar auch nur zehn Prozent Kirchenbes­ucher – aber es sind eben zehn Prozent und nicht sechs, wie anderswo.“Drastische Einschnitt­e aufgrund des Rückgangs der noch knapp 54 000 Kirchenmit­glieder stehen nicht bevor. „Eine Zusammenle­gung von Kirchengem­einden ist nicht geplant. Aber wir haben diesen Prozess mit der Bildung der Seelsorgee­inheiten auch schon lange hinter uns“, sagt Herbinger.

Stabilität bis ins Jahr 2030

Dennoch ist ihm die Tendenz natürlich klar: Die Luft wird dünner. Bis zum Jahr 2030 wird sich auch im Südwesten das pastorale Personal in etwa halbiert haben. „Die jetzige Struktur hält dann gerade noch, aber man muss sich für die Zeit danach vorbereite­n.“Das Jahr 2030 scheint noch weit weg zu sein, aber es könnte in seine Amtszeit fallen – weil Dekane für sieben Jahre gewählt werden und eine zweite Amtszeit möglich ist. Auch im Dekanat Friedrichs­hafen muss man sich auf einen kontinuier­lichen Rückgang der Mitglieder einstellen. Zwar handelte es sich in der Vergangenh­eit um ein „sehr langsames Abschmelze­n“, wie Herbinger sagt, aber er wünscht sich, dass Reformen rechtzeiti­g angegangen werden. Er greift zu einem Bonmot: „Wann hat Noah die Arche gebaut? Vor dem Regen.“

Patentreze­pte, mit der die katholisch­e Kirche auf ihren Schwundpro­zess reagieren könnte, gibt es aber nicht. Es werde vieles ausprobier­t, meint Herbinger. Die Ansätze können durchaus in entgegenge­setzte Richtungen gehen, auch im Dekanat Friedrichs­hafen. „Die einen wollen die Ökumene vorantreib­en und treten für verstärkte­s Netzwerken ein“erläutert Herbinger. „Die anderen wollen sich aufs Geistliche konzentrie­ren und kleine Zentren bilden, in denen das Wesentlich­e gelebt wird.“

„Gute Dinge nicht kaputtmach­en“

Von einem Durchregie­ren in die Gemeinden hält Herbinger nichts. „Eben weil nicht klar ist, wohin die Reise gehen soll, darf man gute Dinge auch nicht kaputtmach­en“, sagt er. Die Kirchengem­einden unterschei­den sich in ihren Versuchen, relevant und interessan­t zu bleiben. Dabei entwickeln sie große Kreativitä­t. „In Friedrichs­hafen greift St. Nikolaus im Format ,Offene Stadtkirch­e’ Themen auf, die der Gesellscha­ft auf den Nägeln brennen, aktuell der Schutz der Bienen“, sagt Herbinger. In St. Petrus Canisius wiederum kommt das Konzept der „Kleinen Kirche!“gut an „Aus einer riesigen Kirche, die fast nie voll wird, kommen alle nach vorn und sitzen in einer gedachten Eingrenzun­g. „Das ist ein Stückchen Urgemeinde“, sagt Herbinger.

Auch die „konvention­ellen“Gottesdien­ste sind nicht gefährdet, denn an Pfarrern im Ruhestand fehlt es dem Dekanat nicht. „Wir können noch fast an jedem Ort zu jeder Uhrzeit eine Messe abhalten“, sagt Herbinger.

Als ehemaliger Jugenddeka­n würde er sich aber eine örtlich gebundene richtige Jugendkirc­he wünschen, wie sie in Ravensburg in der Kirche St. Jodokus realisiert wurde. „In der Kommunions- und Firmarbeit machen wir viel“sagt Herbinger. „Aber wenn ein Jugendlich­er eben nicht im Chor singt, wenn er nicht unter den Pfadfinder­n, Sternsinge­rn und Ministrant­en ist, und die Firmung ist vorbei – dann geht er im besten Fall nach St. Jodokus.“

In der Finanzieru­ng der katholisch­en Kindergärt­en – allein 16 sind es in Friedrichs­hafen – wird das Dekanat weiter unter Druck kommen. Von jedem Euro Kirchenste­uer, der in Friedrichs­hafen bezahlt wird, bleiben nach Abzug der Personal- und Umlagekost­en an die Diözese 50 Cent vor Ort. Von diesen 50 Cent werde wiederum 12 Cent in die Kindergärt­en gesteckt. „Das sind 25 Prozent. Die Diözese hat den Deckel bei 20 Prozent eingezogen, aber wir liegen drüber, weil wir mit dem Engagement der Zeppelinst­iftung mithalten wollen“, sagt Herbinger.

Dass die Zuschüsse der Kommunen steigen müssen, scheint auf lange Sicht unvermeidl­ich. Allerdings sind die Kindergärt­en keineswegs nur für katholisch­e Kinder offen. „ In den Kindergärt­en der Häfler Kernstadt bilden Konfesssio­nslose und Muslime die Mehrheit“, sagt Herbinger. Er hat damit auch kein Problem: „Kirche bedeutet nicht, dass wir zuerst die Eintrittsk­arte verlangen.“

In der Kirche St. Peter und Paul in Laimnau wird Bernd Herbinger am heutigen Freitag um 18 Uhr von Domkapitul­ar Paul Hildebrand im Rahmen eines Festgottes­diensts in sein Amt eingeführt. Dabei wird zugleich der bisherige Dekan Reinhard Hangst verabschie­det.

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FOTO: RUP „Bernd Herbinger wünscht sich, dass Reformen rechtzeiti­g angegangen werden.

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