Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Jugendkriminalität: Anstieg der Zahl der Täter und Straftaten
Polizei und Jugendgerichtshilfe legen Statistiken vor – Nichtdeutsche werden nicht häufiger straffällig als Deutsche
FRIEDRICHSHAFEN (sig) - Polizei und die beim Kreisjugendamt angesiedelte Jugendgerichtshilfe haben dem Jugendhilfeausschuss des Kreistags ihre Statistiken für 2017 vorgelegt. Darin verzeichnen beide nach dem Straftaten-Rückgang in 2016 für 2017 wieder einen Anstieg der Zahl von Tätern und Taten. Bei den Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit ist eine signifikante Zunahme erkennbar, die Anzahl der Täter mit einer anderen Staatsangehörigkeit ist kaum gestiegen. Die Statistik unterscheidet nicht zwischen Tatverdächtigen und Tätern mit oder ohne Migrationshintergrund.
Polizeioberrat Michael Schrimpf, Leiter des Referats Prävention beim Polizeipräsidium Konstanz, erstattete vor seinem Wechsel zur Polizeihochschule in Stuttgart seinen letzten Bericht zur Jugendkriminalität im Bodenseekreis, die im vergangenen Jahr in allen Altersgruppen wuchs. Den höchsten Anstieg gab es bei den über 20-Jährigen von 3091 auf 3229 und bei den Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren von 416 auf 471. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung nahmen von vier auf zehn zu, rohe und solche gegen die persönliche Freiheit von 99 auf 121.
Gewachsen sind auch die Rauschgiftdelikte nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) von 240 im Jahr 2016 auf 283 in 2017. Die allgemeinen Verstöße gegen das BtMG nahmen von 198 auf 225 zu. Zugenommen hat der Handel /Schmuggel mit illegalen Drogen von 48 auf 67. Abgenommen haben dagegen die Straftaten unter Alkoholbeeinflussung, wobei der Bodenseekreis besser dasteht als die Landkreise Ravensburg und Konstanz.
Polizeioberrat Schrimpf streifte die besonderen Problembereiche Suchtstoffe, den Handel im Internet sowie den Besitz und Konsum von Drogen, wenn sich „feste Jugendbanden“entwickeln und Körperverletzungsdelikte dazukommen. Ausdrücklich schloss er sich aber nicht der in der Öffentlichkeit oft gemachten Äußerung an, „die“Jugend sei schlecht.
Kreisrat Norbert Zeller fragte, ob Feste wie das bevorstehende Seehasenfest für die Polizei ein besonderes Phänomen seien. Michael Schrimpf erinnerte, Wodka für 3,99 Euro und Mischgetränke seien auf dem Vormarsch, die Polizei und ihre Partner vom Jugendschutz wüssten, wo sich Grüppchen (wie beim Autoscooter) bildeten – und was zu tun sei.
Von einer „erheblichen Zunahme“der Täter- und Fallzahlen sprach auch Kreisjugendamtsleiterin Simone Schilling. Vor allem bei den minderjährigen Tätern. Die Mehrheit der jungen Menschen begeht wenige leichte Delikte und nur eine geringe Zahl viele schwere, berichtete sie. Dieses Verhältnis ist konstant zu 2016. Eine gravierende Zunahme registriert das Jugendamt bei den Tatvorwürfen vor allem bei den Diebstählen. Und gestiegen sind ebenfalls die Körperverletzungen und Betrugsdelikte. Den zweithäufigsten Tatvorwurf machen nach wie vor die Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz aus.
Simone Schilling berichtete über das im vergangenen Jahr installierte Angebot des Sozialen Trainingskurses (Jugendgerichtsgesetz) für straffällige junge Menschen, das mit einem Kurs von zehn zugewiesenen Teilnehmern startete und erfolgreich abgeschlossen wurde. Nach wie vor hoch sind die Fälle von Schulverweigerern und damit die Gefahr eines Abstiegs in die Kriminalität. Unter anderem das Projekt „Kopf, Herz, Hand“, dessen Finanzierung 2017 verstetigt wurde, ist eine Unterstützung für diese Zielgruppe. Der Bodenseekreis stellt für die Durchführung sozialer Trainingskurse und Anti-Aggressionskurse jährlich rund 157 000 Euro zur Verfügung. Hierbei sind auch die sozialen Trainingskurse für Schulklassen enthalten, da diese Angebote der Prävention dienen.
Richter Martin Hussels-Eichhorn vom Amtsgericht Tettnang dankte für die hervorragende Zusammenarbeit mit dem Jugendamt und die Finanzierung der Kurse durch den Bodenseekreis. Die Kurse „voll zu kriegen“sei man bemüht. Norbert Zeller fragte nach den Zugangswegen, wie man an einen aus Langeweile straffällig gewordenen 19-Jährigen herankommen könne. Könne man den zur Kursteilnahme verpflichten? Simone Schilling weiß um die Herausforderung, Angebote an die jungen Menschen zu machen, die sie dann auch annehmen. Sie hat die Hoffnung, dass die Gemeinden und Berufsschulen noch mehr tun.