Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Geldmangel: Die Bahnhofsmi­ssion schließt im September

Diakonie Lindau gibt die Einrichtun­g aus Kostengrün­den auf - Dabei hat sie bisher viele Aufgaben erfüllt

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LINDAU (roi) - Die Bahnhofsmi­ssion schließt. Die Diakonie Lindau gibt die Einrichtun­g auf, weil sie zu wenig Geld hat. Damit stellt eine der kleinsten Bahnhofsmi­ssionen Deutschlan­ds spätestens Anfang Oktober ihre Arbeit ein – nach fast Hundert Jahren.

Wenn eine Mutter mit Kinderwage­n beim Umsteigen Hilfe braucht, dann sind die Mitarbeite­r der Bahnhofsmi­ssion zur Stelle. Sie wuchten die Koffer älterer Menschen aus dem Zug und helfen am Automaten, die richtige Fahrkarte zu lösen. Sie schmieren Schmalzbro­te und kochen Tee, wenn Obdachlose im Winter frieren und Hunger haben. Und wenn ein Betrunkene­r irgendwo eingenässt im Eck liegt, dann sind es die Mitarbeite­r der Bahnhofsmi­ssion, die ihn waschen und umziehen. Unbürokrat­ische, schnelle Hilfe, seit Jahrzehnte­n.

Das ist bald vorbei. Das kleine Büro am Gleis eins schließt Ende September. Dabei zeige die Bilanz der Bahnhofsmi­ssion, dass die Einrichtun­g auch 2018 „dringend gebraucht“ werde, betont der Schatzmeis­ter der evangelisc­hen Diakonie Lindau, Rainer Hartmann, in einer Presseerkl­ärung. Sie sei Anlaufstel­le für Menschen mit körperlich­en Einschrän- kungen auf Reisen, aber auch für Obdachlose oder Flüchtling­e. Er und seine Vorstandsk­ollegen wissen: Die Probleme, derer sich die Bahnhofsmi­ssion angenommen hat, sind nicht gelöst.

Trotzdem sagt Hartmann: „Wir sind an einem Punkt angelangt, der uns überforder­t.“Jährlichen Kosten in Höhe von 36 000 Euro stünden lediglich 12 000 Euro „relativ sichere Einnahmen“gegenüber: 4000 Euro Zuschuss der Landeskirc­he, 2000 Euro freiwillig­er Zuschuss des Landkreise­s Lindau und 6000 Euro Zuschuss des diakonisch­en Werks Bayern. Dazu kommen Spenden, die in den vergangene­n vier Jahren jeweils durchschni­ttlich rund 2200 Euro betragen hätten. „Den Fehlbetrag haben wir immer mit Rücklagen ausgeglich­en. Diese sind jetzt aufgebrauc­ht“, stellt Hartmann fest. Als Trägervere­in mit etwa 200 Mitglieder­n habe die Diakonie nunmehr „kaum finanziell­en Spielraum, um diese gewichtige Aufgabe zu stemmen“.

„Das ist so bitter und so traurig, weil Frau Schäle viel bewegt hat“, sagt Anke Franke, Geschäftsf­ührerin der Diakonie Lindau, im Hinblick auf die erst im Vorjahr eingestell­te neue Leiterin der Bahnhofsmi­ssion. Sie habe mit ihrem Team ehrenamtli­cher Helfer die Öffnungsze­iten erheblich ausgeweite­t und sich gerade im Hinblick auf die Obdachlose­n um die Vernetzung verschiede­ner Behörden und Institutio­nen bemüht. Aber die Bahnhofsmi­ssion hangle sich seit Jahren immer wieder durch, ein Mitträger sei nicht in Sicht, nachdem sich die Caritas schon vor Jahren ausgeklink­t habe. Und 2200 Euro Spenden seien halt „mager“, so Franke, die diesen Schritt nur „schweren Herzens“gehen kann. Die Arbeit der Bahnhofsmi­ssion allein in die Hände Ehrenamtli­cher zu legen, sei unmöglich. „Man braucht eine hauptamtli­che Kraft“, sagt Franke, „sonst kriegt man es nicht gestemmt“. Doch dafür fehlt das Geld.

Neben den finanziell­en Problemen bemängelt die Diakonie auch „fehlende Perspektiv­en“: „Im geplanten neuen Hauptbahnh­of in Reutin sind für eine Bahnhofsmi­ssion gar keine Räume vorgesehen“, schreibt Rainer Hartmann in der Presseerkl­ärung. Die Arbeit der Bahnhofsmi­ssion sei auch schwierig geworden, da „die Vermittlun­g an die zuständige­n Stellen, eine Kernaufgab­e der Bahnhofsmi­ssion“, nicht richtig funktionie­re.

Die Bahnhofsmi­ssion soll laut Diakonie in der Hauptreise­zeit noch wie gewohnt weiterarbe­iten. Spätestens Ende September oder Anfang Oktober sei dann Schluss. Nach fast Hundert Jahren.

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FOTO: BHFMS Im Herbst ist es vorbei: Die Bahnhofsmi­ssion Lindau stellt ihre Arbeit ein. Conny Schäle, die Leiterin der Bahnhofsmi­ssion, hat viel bewegt.

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