Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Ein Haus mit Geschichte
Das Pariser Hotel Lutetia wird wiedereröffnet – Emigranten, Soldaten und Stars logierten hier schon
PARIS (dpa) - Das Grandhotel Lutetia in Paris wird nach jahrelangem Umbau wiedereröffnet. Es ist ein geschichtsträchtiger Ort: Hier fanden Hitlers Gegner Zuflucht, ehe es die deutschen Besatzer für sich beschlagnahmten. Wenn Mauern sprechen könnten, würde das Lutetia viele Geschichten erzählen.
Das Lutetia ist in Paris das Hotel der großen Namen. Der spätere Staatspräsident Charles de Gaulle und seine Frau Yvonne verbrachten hier ihre Hochzeitsnacht. Schriftsteller und Künstler gingen ein und aus. Unter ihnen waren die Chansonlegende Juliette Gréco, die Kinostars Catherine Deneuve und Isabelle Huppert sowie Schauspieler und „Obelix“-Darsteller Gérard Depardieu. Und der berühmte Komiker Coluche warf von einem Hotelbalkon aus volle Joghurtbecher auf Polizisten, die Strafzettel an sein geparktes Auto hefteten.
Erster Zufluchtsort für Hitlergegner
Das siebenstöckige Haus an einer großen Straßenkreuzung baut zwar auf den lässigen Charme des SaintGermain-Viertels mit seinen Kunstgalerien, Bistros und alten Adelspalästen. Doch die Edelherberge aus der Belle Époque vor dem Ersten Weltkrieg setzt ganz klar auf den Luxusboom in Paris. Eigentümer ist seit acht Jahren die Gruppe des israelischen Immobilienunternehmers Alfred Akirov. Rund 200 Millionen Euro flossen für den Umbau.
Die Neueröffnung wirft ein Schlaglicht auf die wechselvolle Geschichte des Lutetias, die manche einmalig nennen. Das Haus wurde 1910 auf Initiative des Kaufhauses „Le Bon Marché“eröffnet, um zahlungskräftige Kunden in der Nähe unterzubringen. Von 1935 an trafen sich hier Hitlergegner aus Deutschland. Einer der Initiatoren des sogenannten Lutetia-Kreises war der Kommunist und Medienunternehmer Willi Münzenberg. Er strebte eine sehr breite Vertretung der politischen deutschen Emigration an. Doch nach 1940 und der Niederlage Frankreichs beschlagnahmten die deutschen Besatzer das Hotel. Im Lutetia wurde die Abwehr, der militärische Geheimdienst von Wilhelm Canaris, untergebracht.
Die Pariser Autorin Cécile Desprairies erinnert daran, dass die „Abwehr“vor allem gegen „résistants“(Widerstandskämpfer) vorging, mit Hilfe der Geheimen Feldpolizei, die ebenfalls im Lutetia Quartier bezogen habe. Im Hotel gibt es laut Generaldirektor JeanLuc Cousty keine Zeugnisse aus dieser Zeit mehr. Haben Sie davon gehört, dass Weinkeller zugemauert wurden, um sie vor den Deutschen zu schützen? „Soweit ich weiß, ist es keine Legende, dass versucht wurde, wertvollen Wein zu verstecken, um ihn nach dem Krieg wiederzufinden“, lautet die diplomatische Antwort.
Befreiung und Kriegsende brachten dann eine weitere Wende für das Lutetia. Eine Tafel unweit des Eingangs am Boulevard Raspail erinnert daran, dass Überlebende der Nazi-Konzentrationslager vom April bis August 1945 im Hotel untergebracht waren.
Juliette Gréco fand hier laut Tageszeitung „Le Monde“ihre Mutter und ihre Schwester wieder, die wegen Widerstands deportiert worden waren. „Die Tatsache, dass dieses Hotel beschlagnahmt wurde, um Rückkehrer aus den Lagern aufzunehmen, ist sehr wichtig für die emotionale Bindung mit den Bewohnern von Paris“, bilanziert Cousty.