Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Max Giesinger kommt nach Tettnang
Der gebürtige Badner spricht über seine Musik und die Liebe zu Schwaben.
TETTNANG - Max Giesinger hat sich mit Titeln wie „80 Millionen“und „Wenn sie tanzt“in den Gehörgängen der Popfans festgesetzt. Am 29. Juli tritt er beim Regionalwerk Bodensee-Schlossgarten Open Air auf. Bei seinem Auftritt wird es auch schon Stücke aus dem neuen Album „Die Reise“geben, das am 23. November veröffentlicht wird. Christiane Wohlhaupter hat mit dem 29Jährigen über die Arbeit daran, Rastlosigkeit und die Vorteile des Schwabenländles gesprochen.
Herr Giesinger, Ihr neues Album „Die Reise“soll Ende November erscheinen. Wo geht „Die Reise“hin?
Gute Frage. Das weiß ich selbst noch nicht so genau. Ich singe auch nicht vom finalen Ankommen – weil ich noch nicht genau weiß, was das überhaupt ist: Ist es das, wenn man ein cooles Leben hatte und dann mit 70, 80 Jahren ins Grab fällt? Oder ist man angekommen, wenn man ein kleines Häuschen mit Familie und Kindern hat? Oder bedeutet ankommen, unterwegs zu sein? Da bin ich mir noch nicht ganz sicher. Das muss jeder für sich herausfinden.
Ändert sich die Definition über das, was ankommen bedeutet, auch im Laufe der Jahre?
Definitiv. Ich war dieses Jahr sechs Wochen backpacken in Thailand und das habe ich nicht mehr so abgefeiert wie im Alter von 20 Jahren. Damals fand ich es total cool. Dieses Mal war es für mich auch eine Herausforderung, mal ganz alleine zu sein, nachdem ich zuvor zwei Jahre mit den gleichen Leuten unterwegs war, nie zu Hause war. Aber nach drei, vier Wochen hat mir das dieses Mal gereicht, weil ich meine Bandkollegen und Freunde zu Hause vermisst habe.
In Thailand scheinen Sie auch die Musik vermisst zu haben. Wie groß ist der Anteil der Musik an Ihrem Leben?
Ich bestehe zu 90, 95 Prozent aus Musik. Wenn man sich mit mir anfreundet, ist die Musik ein großer Teil von mir. Da sollte man lautstärkeresistent sein (lacht). Ich mache nicht nur Musik auf der Bühne, sondern auch privat. Ich gehe ja nicht nach dem Konzert nach Hause und bin nicht mehr Max Giesinger, sondern ich mache das die ganze Zeit. Dadurch kann ich natürlich auch ein anderes Arbeitspensum leisten, weil mir das großen Spaß macht und ich viele Dinge, die zum Musikerleben dazugehören, nicht als Arbeit empfinde.
Wie viel gibt es am Album noch zu tun?
Der Arbeitsprozess ist sehr weit fortgeschritten, weil ich 2017 parallel zu den ganzen Festivals immer wieder nach Berlin und Mannheim getingelt bin, um dort Songs zu schreiben. Es sind relativ schnell gute Songs entstanden, weil ich ganz unbefangen herangegangen bin. Jetzt muss ich nur noch einen Song einsingen, dann wird noch ein bisschen Klavier, ein bisschen Gitarre eingespielt und dann ist das Album auch schon in trockenen Tüchern.
Werden die Zuhörer in Tettnang außer der Single „Legenden“schon etwas daraus hören?
„Legenden“ist der erste Vorbote der Platte, es wird auch noch einen zweiten geben, einen meiner Lieblingssongs, die entstanden sind. Der behandelt den ganzen Prozess des Musikerwerdens, wie das angefangen hat. Er heißt „Wir waren hier“und wird in Tettnang dabei sein.
Was schätzen Sie als Badener am Württembergischen?
Die Küche ist natürlich gigantisch. Was das Kulinarische anbelangt, wurde ich dort selten enttäuscht. Ich finde auch das Publikum super. Da ist immer eine tolle Energie, die Leute sind sehr begeisterungsfähig.
Kennen Sie die Kulisse des Schlosssparks?
Ich war noch nicht in Tettnang, ich kenne das bislang nur vom Hören. Ich lasse mich überraschen, soll ja sehr schön sein.
Reicht es für einen Abstecher an den Bodensee?
So zwei, drei Stunden hat man schon immer Zeit. Ich bin ja ein großer Outdoor-Typ. Nichts macht mich glücklicher als in der Sonne herumzuhängen, ein bisschen Musik zu hören, einzuschlafen und ein paar Runden am See zu drehen.
Wofür würden Sie gerne als Legende in die Geschichte eingehen?
Am liebsten für meine Musik. Das wäre mein Traum. Es wäre schön, wenn sich in 30, 40 Jahren die Leute noch an meine Platten erinnern könnten.
Wie viel Ihres Erfolges verdanken Sie der Castingshow „The Voice“?
Ganz schwierige Frage. Ich weiß nicht, wie es gekommen wäre, wenn ich damals nicht mitgemacht hätte. Vielleicht wäre es schneller gegangen, vielleicht wäre nie etwas passiert. Ich habe es als sehr gute Erfahrung wahrgenommen – auch wenn ich nicht der klassische Castingshow-Typ bin. Aber ich habe Leute kennengelernt und eine gewisse Aufmerksamkeit erlangt. Ich wollte dann aber nicht mehr nur CoverSongs machen, sondern mein eigenes Material spielen. Klar, gab es dann erst mal ein paar Vorbehalte. Die Plattenfirmen standen diesem Castingshow-Stempel sehr kritisch gegenüber, obwohl „The Voice“ja ein super gutes Format ist.
Apropos kritisch gegenüberstehen: Wie gehen Sie mit Neidern und fiesen Kommentaren online um?
Ein dickes Fell ist auf jeden Fall von Vorteil. Wenn man in der Öffentlichkeit steht, dann steigt die Anzahl der Leute, die das nicht so dufte finden, was man macht. Deren Stimmen sind dann meist etwas lauter. Die schreiben die Kommentare, wenn es etwas zu haten gibt. Ich habe mir angewöhnt, das ganz enstpannt zu sehen. Denn egal was ich mache: Diese Leute werden es weiterhin kacke finden. Mann kann es nie allen recht machen, das macht einen als Künstler aus und schafft Profil.