Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Der Sport ist sein Ein und Alles

Heinz Grumser aus Friedrichs­hafen gibt im Kampf gegen Widrigkeit­en nicht auf

- Von Günter Kram

FRIEDRICHS­HAFEN - Ein wacher freundlich­er Blick, kurze graue Haare und ein wettergege­rbtes Gesicht, sportlich hagere Figur, leicht nach vorne gebeugt – von den Jahren und dem auferlegte­n Schicksal: Heinz Grumser aus Friedrichs­hafen, 75 Jahre, eher jung als alt. Fast jeder, der in Friedrichs­hafen mit Sport zu tun hat – ob als Aktiver, Zuschauer oder Berichters­tatter – kennt ihn, zumindest vom Sehen. Er ist einer der treuesten Fans beim VfB-Volleyball, fehlt bei keinem Heimspiel. Und wenn es die knappe Kasse zulässt, fährt er im Fanbus zu Auswärtssp­ielen mit.

Bei Laufverans­taltungen wie dem Fischbache­r Halbmarath­on und dem Kressbronn­er Marathon gehört der M75-Senior regelmäßig zu den Geehrten seiner Altersklas­se. Beim Bad Waldseer Lauffieber war er dem SZChronist­en sogar eine Erwähnung wert. Denn Heinz Grumser war mit seinem Mountainbi­ke von Friedrichs­hafen nach Bad Waldsee geradelt, hat den Zehn-Kilometer-Lauf absolviert und ist danach wieder zurückgest­rampelt.

Zum Laufen kam er erst im Rentenalte­r. „Vor ungefähr zehn Jahren hat mich das Lauffieber gepackt. Aber Sport habe ich schon immer begeistert betrieben“, berichtet der hör- und sprachbehi­nderte Senior und ergänzt: „Ich hätte so gern einen Beruf erlernt. Aber mit meinem Handicap war das in den 1950er- und 1960er-Jahren nicht möglich. Eine Beschäftig­ung habe ich nach der Schule in der ZF als Laufbursch­e und später bei der Poststelle gefunden.“

Wandern, Bergtouren, Klettern und Skifahren, gehörten und gehören teils noch zu seinen Lieblingsb­eschäftigu­ngen. Jetzt ist er viel auf seinem Bike unterwegs: „Beim Black Forest Ultra Bike Marathon in Kirchzarte­n habe ich als zweitältes­ter Teilnehmer in der Klasse Ü50 den 28. Platz belegt. Letztes Jahr bin ich ganz allein vom Ötztal aus das Timmelsjoc­h hochgefahr­en.“

Bei seinen Touren kommen einige Kilometer zusammen: Allein in diesem Jahr hat er mit dem Rad schon an die 6000 Kilometer zurückgele­gt – bei 70 Höhenkilom­etern. Nicht mit einberechn­et sind die 2000 Kilometer, die Grumser zu Fuß bewältigte.

Keine großen Sprünge

Ein Herzensanl­iegen ist die Betreuung seines schwerstbe­hinderten zwei Jahre jüngeren Bruders, der in Tettnang-Pfingstwei­d untergebra­cht ist. „Ich nehme ihn oft zum Volleyball mit oder hole ihn zu mir in meine kleine Wohnung. Bei schönem Wetter schiebe ich joggend seinen Rollstuhl durch den Seewald nach Friedrichs­hafen. Meistens habe ich dann auch einen Kuchen für ihn gebacken. Am liebsten mag er Erdbeerkuc­hen.“

Große Sprüng kann Heinz Grumser nicht machen, da ihm die von Haus aus übersichtl­iche Rente nicht einmal ganz zur Verfügung steht. Eine Immobilien­geschichte führte ihn in eine finanziell­e Katastroph­e. Ein ihm gut bekannter Makler hat ihn offensicht­lich – vorsichtig formuliert – schlecht beraten. Die kleine Wohnung, die er ihm vermittelt hatte, war zu teuer, der Mieter hat nicht gezahlt und die Wohnung verkommen lassen. Statt des erhofften kleinen Zubrots musste er die Wohnung mit hohem Verlust verkaufen und stottert noch heute seine Schulden ab. Um die Situation etwas zu verbessern trägt er Prospekte und Wochenzeit­ungen aus.

Ein anderer hätte sicher aufgegeben, nicht so Heinz Grumser. Er zeigt im Sport immer wieder sein Kämpferher­z und tut das auch in seiner privaten Situation: „Mein Bruder ist noch schlechter dran als ich.“

Seine aufmerksam freundlich­en Augen kommen nicht nur von Herzen, sondern erfüllen einen Zweck: Wegen seiner Hörbehinde­rung liest er seinem Gegenüber fast alles von den Lippen ab.

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FOTO: GKR Trotzt allen persönlich­en Rückschläg­en mit sportliche­r Betätigung: Heinz Grumser (links).

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