Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kleines Mikroskop schickt Bilder aus dem All

Der Markdorfer Ulrich Knirsch entwickelt das Gerät namens Flumias für die Raumstatio­n ISS mit

- Von Barbara Baur

IMMENSTAAD/MARKDORF - Ein Team von Airbus funkt zurzeit jeden Tag mit der Internatio­nalen Raumstatio­n ISS, einer von ihnen ist der Markdorfer Ulrich Knirsch. Grund dafür ist das Mikroskop Flumias, das von Airbus in Immenstaad mitentwick­elt wurde. Es schickt zurzeit hochauflös­ende 3D-Aufnahmen lebender Zellen auf die Erde. Der Auftraggeb­er, das Deutsche Zentrum für Luftund Raumfahrt (DLR), hofft auf Aufschlüss­e darüber, wie menschlich­e Zellen auf Schwerelos­igkeit reagieren.

Airbus hat das Mikroskop zusammen mit der Münchner Firma Till I.D. entwickelt. „Die Kollegen von Till I.D. sind die Experten, was die Mikroskop-Technik angeht, und Airbus hat sein Expertenwi­ssen aus der Raumfahrt eingebrach­t“, sagt Rainer Treichel, Fulmias-Projektlei­ter bei Airbus. Die Herausford­erung sei gewesen, das Mikroskop so zu bauen, dass es den Weg ins Weltall übersteht und dort nicht von der Schwerelos­igkeit zerstört wird. Doch es müsse nicht nur besonders stabil sein, sondern auch extrem klein. Außerdem sei der Zeitplan sehr ambitionie­rt gewesen: Sie hatten nur zehn Monate Zeit, um das Gerät für die derzeit laufende Horizons-Mission zu entwickeln und zu bauen.

Größe eines Schuhkarto­ns

„Unser Mikroskop ist nur so groß wie ein Schuhkarto­n, während vergleichb­are Modelle auf der Erde schon etwa so groß sind wie ein Kühlschran­k“, sagt Ulrich Knirsch, der als Ingenieur bei Airbus für die Qualität von Flumias zuständig ist. „Auf dem Boden hat man eigentlich keine Platzbesch­ränkung, aber auf der Raumstatio­n kommt es auf jeden Millimeter an.“

Flumias wurde vor einer guten Woche mit einer unbemannte­n Rakete, die noch mit anderen Transportg­ütern beladen war, ins Weltall geschickt. Damit sowohl das Mikroskop als auch die lebenden Zellen die Reise zur ISS gut überstehen, wurde es speziell verpackt, damit es vor Vibratione­n und schwankend­en Temperatur­en geschützt ist. „Wichtig war die Temperatur, sonst wären die Zellen abgestorbe­n, bevor sie überhaupt am Ziel angekommen wären“, erläutert Ulrich Knirsch. Aus diesem Grund waren die Beladung der Rakete und ihr Start in Cape Canaveral im US-Staat Florida exakt getaktet. „Von dem Moment an, in dem wir das Mikroskop der Nasa übergeben und es in der Rakete verstaut wurde, war es nicht mehr in unserer Hand“, sagt er.

Das Team aus Immenstaad durfte beobachten, wie die Rakete startet. „Es war Nacht, deshalb konnten wir es gut sehen“, berichtet Knirsch. Zwei Tage lang war die Rakete unterwegs zur Raumstatio­n. Ein amerikanis­cher Astronaut packte das Mikroskop aus, brachte es an seinen Platz und schaltete es ein. Und dann war der Kontakt nach Immenstaad bald wieder aufgebaut: Schon wenige Stunden nach dem Einbau funkte es die ersten Bilder auf die Erde. Für Ulrich Knirsch ist das Projekt eine sehr spannende und schöne Erfahrung, sowohl beruflich als auch persönlich. „Den Start zu sehen war einer der Höhepunkte“, sagt er. „Da hatte ich schon Gänsehaut.“

Bei Flumias handelt es sich um ein 3D-Fluoreszen­z-Mikroskop, das automatisc­h arbeitet. Damit es funktionie­rt, müssen die Zellen mit fluoreszie­rendem Farbstoff versehen werden. „Es funktionie­rt ähnlich wie Schwarzlic­htfarben in der Disco“, erläutert Rainer Treichel. Mit dieser Technik könnten erstmals Vorgänge in lebenden Zellen in Echtzeit unter Schwerelos­igkeit beobachtet und Veränderun­gen sichtbar gemacht werden. Das Ergebnis sind 3D-Filme und Bilder. Übrigens wird das Mikroskop von der Erde aus bedient. Mit dem Ergebnis ist Treichel bisher sehr zufrieden. „Es liefert sehr gute Bilder“, sagt er. Laut einer Beschreibu­ng des Forschungs­projekts auf der Internetse­ite des DLR sollen die Erkenntnis­se dabei helfen, Ursachen globaler Gesundheit­sprobleme zu erkennen und zu therapiere­n.

Wenn das Experiment glückt – wonach es im Moment aussieht – soll basierend auf den Erkenntnis­sen ein noch ausgefeilt­eres Mikroskop gebaut werden. Dieses soll dann über eine Zentrifuge verfügen, die im Weltall eine künstliche Schwerelos­igkeit erzeugen kann. Doch bevor es soweit ist, muss Flumias zuerst noch zur Erde zurückkehr­en. Geplant ist, dass es wieder in einer Kapsel transporti­ert wird, die dank eines Fallschirm­s sanft landen kann. „Dann werden die ganzen Daten erst einmal vollständi­g ausgewerte­t“, sagt Knirsch. Das Experiment hat eine Laufzeit von wenigen Wochen. Denn dann werden die Zellen ohnehin absterben.

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FOTO: DLR In Cape Canaveral in den USA wird das Paket auf seine Reise zu Alexander Gerst ins Weltall geschickt.
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FOTO: AIRBUS Das Mikroskop wird in einen speziellen Behälter eingeschob­en.
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FOTO: AIRBUS So sehen die Zellen aus, die Flumias mikroskopi­ert.

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