Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Obstbauern ernten in diesem Jahr extrem früh
Warmes Wetter ist Grund für üppige und frühe Ernte – Gleichzeitig ist die Hitze aber auch eine Gefahr
WASSERBURG - Die Ernte fällt so üppig und so früh aus, wie lange nicht mehr. Blüten und Früchte haben sich in diesem Jahr bei dem warmen Wetter rasant entwickelt. Damit steht die diesjährige Ernte im Kontrast zum vergangenen Jahr, als später Frost im April große Teile des Ertrags zerstörte.
Obstbauer Stefan Schäfler läuft durch seine Obstbaumreihen am Rand von Hattnau. Ob Äpfel oder Birnen, die Bäume tragen Früchte zuhauf. Gerade hat er seine Apfel-Frühsorten „Discovery“und „Delbarestival“von den Bäumen geholt. In etwa zwei Wochen wird er bereits mit der Ernte seiner Williamsbirnen beginnen. „Ich bin im Schnitt zehn bis 14 Tage früher dran“, sagt Schäfler. Er kann sich nur an einen einzigen Sommer, nämlich den im Jahr 2003, erinnern, in dem er ähnlich früh geerntet hat.
„Das ist extrem. So habe ich es bisher noch nicht erlebt“, sagt auch Martin Nüberlin, Sprecher der Obstbauern am bayerischen Bodensee. Für eine mengenmäßig und qualitativ gute Ernte seien Wärme und Licht ausschlaggebend, „und davon hatten wir in diesem Jahr genug.“Obstbauer Schäfler ist dementsprechend zufrieden: „Im Augenblick sieht die Ernte super aus“, sagt er. Hagelschauer, wie es sie im Mai gab, hätten seine Früchte weitgehend unbeschadet überstanden. Im Gegenteil: „Durch die viele Sonnenenergie entwickeln sich die Aromastoffe gut.“Die Früchte seien zahlreich, schön groß und saftig.
Trockenheit ist gefährlich
Doch Stefan Schäfler hat auch Respekt vor den kommenden Wochen, denn je länger die Trockenperiode anhält, desto gefährlicher wird es für das Obst. Schäflers Vater fährt bereits mit einem Wassertank zwischen den Bäumen umher und bewässert die Anlage. „Es sollte schon mal wieder ein paar Tage regnen“, sagt auch Martin Nüberlin. Bei hohen Temperaturen drohen sich nämlich die Blattoberflächen zu verschließen, um sich vor Verdunstung zu schützen. Dadurch verringert sich das Wachstum der Pflanzen und ihrer Früchte.
Bisher ist das bei Obstbauer Stefan Schäfler jedoch nicht der Fall. Das liegt, laut Schäfler, auch daran, dass er keine Jungpflanzen besitze, sondern ältere Bäume, deren Wurzeln tiefer reichen. Martin Nüberlin bestätigt: „Die jungen Bäume leiden mehr unter der Hitze.“Des Weiteren komme es auf den Boden an, auf dem die Pflanzen stehen. Ein lehmiger Boden, wie am bayerischen Bodensee, speichere das Wasser besser als ein Kiesboden, wie er Richtung Kressbronn und Oberdorf vorkomme. Dort hätten die Obstbauern Probleme ihre Bäume zu wässern, denn aufgrund des niedrigen Wasserstandes dürften sie auch kein Wasser mehr aus der Argen entnehmen.
Ein weiteres Problem, mit dem Pflanzen bei Hitze zu kämpfen hätten, sei Sonnenbrand. Durch die starke Sonneneinstrahlung verfärben sich die Früchte stellenweise braun und sind damit für die Abnehmer nicht mehr interessant. Martin Nüberlin rät deswegen allen Obstbauern den sogenannten Belichtungsschnitt zu unterlassen. Viele Obstbauern führen ihn etwa zwei Wochen vor der Ernte durch, damit die Früchte ihre rote Deckfarbe ausprägen.
Vorteile der Hitze gibt es aber auch: Die Kirschessigfliege, die vor allem Kirschen oder Beeren befalle, möge die Hitze nicht und sei deswegen weniger aktiv gewesen in diesem Jahr. Auch andere Schädlinge seien bisher kein großes Problem gewesen.
Preise werden gedrückt
Wie sich der Preis für die Ernte in diesem Jahr entwickeln wird, kann Martin Nüberlin noch nicht voraus sagen. „Dafür ist es noch zu früh.“Sicher ist: „Die guten Preise von letztem Jahr werden wir nicht erreichen.“ Frost hatte im vergangenen Jahr einen Großteil der Ernte der Landwirte am bayerischen Bodensee zerstört. Dementsprechend groß war die Nachfrage nach der verbleibenden Ernte. „Das hat den Ernteausfall teilweise kompensiert“, sagt Obstbauer Stefan Schäfler.
In diesem Jahr hingegen sei der Markt sehr gut versorgt. Das drücke die Preise dann wahrscheinlich. „Der Stressfaktor ist etwas höher, weil wir mehr Kilo für den gleichen Preis bewegen müssen“, sagt Schäfler, nichtsdestotrotz sei ihm das Wetter in diesem Jahr zig mal lieber, als das im vergangenen. „Als Bauer freut es mich einfach, Früchte mit einer solch guten Qualität und in einer solchen Menge zu sehen.“
Gelegen kommt ihm, dass er für seinen Hofverkauf in diesem Jahr sowieso beschlossen hatte, die Äpfel in einem gekühlten Selbstbedienungsautomaten anzubieten. „Wären die jetzt ungeschützt, dann hätte ich abends Bratäpfel,“sagt er lachend. Durch die Kühlung könne er nun entspannt den ganzen Tag verkaufen.