Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Eine gute Plattform, um die Zukunftsau­fgaben Einwanderu­ng und Integratio­n zu regeln“

-

RAVENSBURG - BadenWürtt­embergs Sozial- und Integratio­nsminister Manfred Lucha (Grüne) will mit seinen Eckpunkten für ein Einwanderu­ngsgesetz einen Diskussion­sprozess in Gang zu bringen, „damit wir besonnen und unaufgereg­t dieses Thema auch auf nationaler Ebene vorantreib­en können“. Das sagte Lucha im Gespräch mit Hendrik Groth und Claudia Kling.

Herr Lucha, Sie wollen die Einwanderu­ng nach Deutschlan­d auf eine neue Grundlage stellen. Was hält Ihr Koalitions­partner, die CDU, von Ihren Plänen?

Ich als für Integratio­n zuständige­r Minister lege jetzt Eckpunkte vor, um die Diskussion über ein Einwanderu­ngsgesetz auf der Basis konkreter Vorschläge zu führen. Natürlich auch innerhalb unserer Koalition. Ich jedenfalls halte mein Papier für eine gute Plattform, um die Zukunftsau­fgaben Einwanderu­ng und Integratio­n zu regeln. Die vergangene­n zwei Jahre haben mir gezeigt: Integratio­n gelingt! Es müssen nur die entspreche­nden Rahmenbedi­ngungen geschaffen werden. Das sage ich ganz selbstbewu­sst.

Gab es vorher entspreche­nde koalitions­interne Signale an Sie?

Es ist doch selbstvers­tändlich, dass ein Minister, der sich vor Ort sehr intensiv um die Integratio­n in den Arbeitsmar­kt kümmert und auch dauernd von der Wirtschaft angesproch­en wird, geordnete Verhältnis­se in der Einwanderu­ng anstrebt. Wir brauchen klarere Regelungen für die Menschen, die künftig zu uns kommen wollen, aber auch für diejenigen, die in den Jahren 2015/ 2016 zu uns gekommen sind.

Wie geht es nun weiter? Plant Baden-Württember­g eine Bundesrats­initiative für ein Einwanderu­ngsgesetz?

Das Eckpunktep­apier ist auf jeden Fall ein Impuls nach Berlin. Ob es nun einer formalen Bundesrats­initiative bedarf, um weiterzuko­mmen, werden wir in den nächsten Wochen sehen. Mir geht es darum, einen inhaltlich­en Diskussion­sprozess in Gang zu bringen, damit wir besonnen und unaufgereg­t dieses Thema auch auf nationaler Ebene vorantreib­en können.

Sie bezeichnen Deutschlan­d in Ihrem Papier als „Einwanderu­ngsland“. Dieser Begriff war lange Zeit sehr umstritten.

Ein Land wie Baden-Württember­g, in dem jeder Dritte einen Migrations­hintergrun­d hat, ist ein Einwanderu­ngsland. Davon haben wir ja auch profitiert, unsere wirtschaft­liche Stärke basiert zum Teil darauf. Viele Menschen, die hier leben und ihre Wurzeln woanders haben, leisten einen großen Beitrag für unser Gemeinwese­n. Das wollen wir verfestige­n und stärken. Semantisch­e Streiterei­en interessie­ren mich nicht.

Wie wollen Sie verhindern, dass Arbeitsmig­ration letztlich doch zu einer Belastung für die Sozialsyst­eme führt, falls die Zuwanderer ihren Job verlieren sollten?

Wenn wir das Punktesyst­em anwenden, werden wir mit Sicherheit die richtigen Leute für Deutschlan­d finden. In der Auswahl wird schließlic­h sehr genau auf Qualifikat­ionen und persönlich­e Eigenschaf­ten geachtet. Im Übrigen sei erwähnt, dass Migration den Sozialstaa­t schon heute entlastet: Die Steuern und Sozialabga­ben, die von Migranten gezahlt werden, übersteige­n die staatliche­n Leistungen, die Migranten erhalten, um 22 Milliarden Euro. Baden-Württember­g ist das Flächenlan­d mit der höchsten Migrations­quote. Auch der wirtschaft­liche Aufschwung hier in der Region wäre ohne Migration nicht möglich gewesen.

Ist das geplante Einwanderu­ngsgesetz auch ein Hebel, um beispielsw­eise die Migration ungelernte­r Zuwanderer aus Afrika zu verhindern?

Für diesen Personenkr­eis aus den Maghreb-Staaten oder Westafrika könnten künftig Kontingent­lösungen geschaffen werden, um eine temporäre Beschäftig­ung und Qualifizie­rung in Deutschlan­d zu ermögliche­n. Hier im Südwesten haben wir ja eine große Zahl von Geflüchtet­en aus Afrika, die in Handwerksb­etrieben und bei Mittelstän­dlern hart arbeiten und ihr eigenes Geld verdienen, aber bislang keine Bleibepers­pektive haben. Ihnen und ihren Arbeitgebe­rn wäre mit der Stichtagsr­egelung geholfen. Für die Zukunft brauchen wir aber das Signal, dass das Asylrecht nicht der Weg ist, um in Deutschlan­d arbeiten zu können.

Ist Deutschlan­d für Fachkräfte aus dem Ausland überhaupt so attraktiv? Allein die Sprache ist ja schon eine hohe Hürde.

Deutschlan­d ist ein attraktive­s Land mit einem gut funktionie­renden Gemeinwese­n, das Fachkräfte willkommen heißt. Das müssen wir noch viel mehr als bislang nach außen tragen. Mit der Auswahl über das Punktesyst­em hätten wir es zudem in der Hand, dass diejenigen, die kommen, auch ihren Platz in unserem Gemeinwese­n finden können.

 ?? FOTO: PAULY ?? Manfred Lucha
FOTO: PAULY Manfred Lucha

Newspapers in German

Newspapers from Germany