Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Streit um Rückkehr zur Wehrpflich­t

Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) erfährt Unterstütz­ung, aber auch Kritik

- Von Andreas Herholz

BERLIN - Eine allgemeine Dienstpfli­cht für junge Deutsche – seit Monaten wirbt Annegret Kramp-Karrenbaue­r dafür. Die CDU-Generalsek­retärin hat sich jetzt erneut dafür starkgemac­ht und erhält immer mehr Unterstütz­ung aus den Reihen ihrer Partei. CDU-Politiker fordern eine Dienstpfli­cht für alle, und selbst über eine Rückkehr der Wehrpflich­t wird jetzt heftig diskutiert.

Sie rechne nicht mit einer einfachen Rückkehr der Wehrpflich­t, wolle aber über eine allgemeine Dienstpfli­cht reden, hatte Kramp-Karrenbaue­r am Wochenende in einem Interview erklärt. Es gebe viele Möglichkei­ten, einen solchen Dienst zu gestalten. So könnten junge Männer und Frauen etwa ein Jahr lang in sozialen Einrichtun­gen, im Gesundheit­swesen oder der Entwicklun­gshilfe arbeiten. Ende des Jahres soll das Thema auf der Tagesordnu­ng des CDU-Bundespart­eitages stehen, zu den „Leitfragen“bei der Arbeit am neuen Grundsatzp­rogramm gehören, das 2020 beschlosse­n werden soll, mit dem die CDU-Generalsek­retärin wieder das Profil der Partei schärfen will.

Mehrheit der Deutschen ist dafür

Die Union war zuletzt in den Umfragen unter 30 Prozent gerutscht, in der Partei rumort es, gibt es vom konservati­ven Flügel Kritik am Kurs der Partei. Nicht wenige dort halten die Aussetzung der Wehrpflich­t vor sieben Jahren für einen Fehler. Schließlic­h galt sie in der Vergangenh­eit auch immer als eines der Markenzeic­hen der Unionspoli­tik. Die Mehrheit der Deutschen wünscht sich laut Umfragen die Wiedereins­etzung. 55,6 Prozent sind für die Wehrpflich­t, 39,6 Prozent dagegen.

Sozialdien­st für alle und womöglich auch Rückkehr der Wehrpflich­t? In der Union, aber auch in der Großen Koalition gehen die Meinungen darüber auseinande­r. Während die Idee eines allgemeine­n sozialen Dienstes auf Zustimmung stößt, lehnen selbst Verteidigu­ngsexperte­n der Union die Rückkehr zu einer Wehrpflich­tarmee ab, „Eine allgemeine Wehrpflich­t alten Zuschnitts hilft uns bei den aktuellen sicherheit­spolitisch­en Herausford­erungen nicht weiter“, sagte der verteidigu­ngspolitis­che Sprecher der Unionsfrak­tion im Bundestag, Henning Otte. Sowohl die Junge Union als auch die Mittelstan­dsvereinig­ung der Union fordern jedoch die Einführung eines „verpflicht­enden Gesellscha­ftsjahres“für alle Schulabgän­ger. Dies wäre eine Möglichkei­t, der Gesellscha­ft etwas zurückzuge­ben und den Zusammenha­lt im Land zu stärken, erklärte JU-Chef Paul Ziemiak.

Das Thema Wehrpflich­t spiele bei ihren Gesprächen mit der Parteibasi­s eine große Rolle, hatte Kramp-Karrenbaue­r im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“berichtet. Dabei gehe es um das Bedürfnis nach einem verbindend­en Element, einem Dienst an unserer Gesellscha­ft. „Es bedarf vielleicht in Zukunft wieder eines gemeinscha­ftlichen Dienstes, um den Gemeinsinn zu stärken. Über dieses Bedürfnis werden wir diskutiere­n“, erklärte sie.

Bartels will schwedisch­es Modell

„Einen verpflicht­enden Dienst für alle jungen Menschen einmal im Leben für die Gesellscha­ft zu organisier­en, das ist eine sympathisc­he Idee. Das stößt aber auch schnell an verfassung­srechtlich­e Grenzen“, gibt der Wehrbeauft­ragte des Deutschen Bundestage­s, Hans Peter Bartels, zu Bedenken. Es gelte das Verbot der Zwangsarbe­it. Deutschlan­d habe sich auch internatio­nal verpflicht­et, dies zu achten, erklärte er am Sonntag im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Bisher seien Zwangsdien­ste ausschließ­lich zum Zweck der Landesvert­eidigung erlaubt gewesen. Vom Wehrdienst könne dann ein Ersatzdien­st abgeleitet werden. Die Wiedereins­etzung der Wehrpflich­t lehnt Bartels ab, hält aber das schwedisch­e Modell einer Auswahlweh­rpflicht für sinnvoll.

Gegen die Einführung einer Dienstpfli­cht stehen verfassung­srechtlich­e Bedenken. Schließlic­h heißt es in Artikel 12, Absatz 2 des Grundgeset­zes: „Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlic­hen allgemeine­n, für alle gleichen öffentlich­en Dienstleis­tungspflic­ht.“Zwangsarbe­it sei nur bei einer gerichtlic­h angeordnet­en Freiheitse­ntziehung zulässig. Darüber hinaus wäre etwa ein einjährige­r Pflichtdie­nst auch völkerrech­tlich kaum möglich, wäre es doch ein Verstoß gegen internatio­nale Verträge wie die UN-Menschenre­chtserklär­ung und die Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion, die auch Deutschlan­d ratifizier­t hat. Im Falle der Wiedereins­etzung der Wehrpflich­t allerdings wäre auch die Einführung eines sozialen Pflichtdie­nstes möglich. Eine Option, die zum Kalkül der CDUGeneral­sekretärin gehören dürfte.

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FOTO: DPA Die Wehrpflich­t war zum 1. Juli 2011 ausgesetzt worden. Seitdem ist die Bundeswehr eine Freiwillig­enarmee.

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