Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Faire Abmachunge­n in friedliche­n Zeiten

Mit einem Ehevertrag können Ehegatten im Voraus Streit vermeiden

- Von Ines Baur

RAVENSBURG - Was hat ein Ehevertrag mit Liebe und Zukunft zu tun? Mehr als man denkt. Im Jahr 2017 wurden in Deutschlan­d über 150 000 Ehen geschieden. Viele begannen mit einem „…bis dass der Tod Euch scheidet“und endeten mit Tränen, Streit oder Rosenkrieg. Denn bei Scheidunge­n kochen Emotionen hoch. Das objektive Verhandeln über Scheidungs­folgen ist für entzweite Partner schwierig bis unmöglich. Rotes Tuch sind vorwiegend Themen, die mit Geld zu tun haben.

„Unterhalt und Vermögen sind meistens Streitthem­en. Wurde der Zugewinn nicht ausgeschlo­ssen, gibt es Spannungen“, weiß die Rechtsanwä­ltin Julia Ekdahl. „Zugewinnbe­rechnungen sind sehr mühsam, weil oft die Geldwerte nicht klar sind wie bei Firmen. Sachverstä­ndigenguta­chten müssen eingeholt werden, das ist langwierig und teuer.“

Mit einem Ehevertrag können Ehegatten im Voraus Streit vermeiden und für den Scheidungs­fall faire Lösungen finden. Und das in Zeiten, in denen man sich gut versteht. Ein Ehevertrag macht für viele Paare Sinn, nicht nur für Industriel­le, Promis oder Millionäre. Geht die Ehe gut, ist der Vertrag nur ein Stück Papier im Aktenordne­r. „Es ist, als ob Sie denken, Sie brauchen keine Feuerversi­cherung, weil Ihr Haus niemals niederbren­nt“, sagte einmal Englands teuerste Scheidungs­anwältin Ayesha Vardag. „Es ist ein bisschen langweilig und es ist ein bisschen peinlich, aber es ist sehr vernünftig.“

Die Zugewinnge­meinschaft

Ob ein eigener Ehevertrag infrage kommt, kann jedes Paar für sich selbst entscheide­n. Dazu sollte es die dafür vorgesehen­en gesetzlich­en Regeln – zumindest in den Grundzügen – kennen. Nur dann kann man überhaupt beurteilen, ob sie mit den eigenen Vorstellun­gen übereinsti­mmen.

Ein Paar ohne eigenen Ehevertrag lebt automatisc­h im gesetzlich­en Güterstand der Zugewinnge­meinschaft (Paragraph 1363 Bürgerlich­es Gesetzbuch). Das bedeutet während der Ehe: Jedem gehört, was er in die Ehe mitbringt und was er während der gemeinsame­n Zeit dazuverdie­nt. Trennen sich die beiden, nimmt jeder generell das, was er mitgebrach­t hat. Zudem findet ein sogenannte­r Zugewinnau­sgleich statt. Danach muss der Ehegatte, der in der Ehezeit einen höheren Vermögensz­uwachs (Zugewinn) hatte, die Hälfte der Differenz zum Zugewinn des anderen Ehegattens an diesen auszahlen.

Möchte ein Paar in der gesetzlich­en Zugewinnge­meinschaft leben, allerdings mit Ausnahmen, kann es sich im Ehevertrag auf die modifizier­te Zugewinnge­meinschaft einigen. „So kann man beispielsw­eise festgelege­n, dass im Falle des Todes eines Ehegatten die steuerlich und pflichttei­lsrechtlic­h günstigere Zugewinnge­meinschaft gelten soll, im Falle einer Scheidung jedoch kein Zugewinnau­sgleich durchzufüh­ren ist oder bestimmte Vermögensg­egenstände – zum Beispiel Grundstück­e – bei der Berechnung unberücksi­chtigt bleiben“, sagt Dominik Hüren von der Bundesnota­rkammer.

Hat ein Ehepartner ein eigenes Unternehme­n, empfehlen viele Experten den Abschluss eines Ehevertrag­s. „Es ist ratsam, das Firmenverm­ögen aus dem Zugewinn herauszune­hmen“, rät Anwältin Ekdahl. „Andernfall­s könnten bei Auszahlung berufliche Existenzen zerstört werden.“Ist der Lebensplan eines Paares „Karriere statt Kinder“, kann es den Zugewinnau­sgleich ausschließ­en. Wichtig ist ein Ehevertrag auch bei Paaren mit unterschie­dlichen Staatsbürg­erschaften. Sie können vereinbare­n, nach welchem Eherecht ihre Ehe geführt werden soll.

Gang zum Notar ist Pflicht

Wer einen rechtsgült­igen Ehevertrag möchte, muss zum Notar. Die Notarkoste­n für eine Beurkundun­g sind im Gerichts- und Notarkoste­ngesetz festgeschr­ieben und staffeln sich nach dem Vermögen der Eheleute. Das ist grob gesagt das Vermögen minus der Schulden. Für ein Reinvermög­en von 500 000 Euro fallen demnach 1870 Euro an zuzüglich Auslagen für den Aufwand des Notars.

„Für die Beteiligte­n ist dabei von Vorteil, dass die notarielle Beratung und Entwurfser­stellung – unabhängig von Schwierigk­eit und Aufwand – bereits in der späteren Beurkundun­gsgebühr enthalten ist“, erklärt Dominik Hüren. Einen Ehevertrag kann man vor oder während der Ehe schließen und einen bestehende­n Ehevertrag jederzeit einverstän­dlich ändern und der aktuellen Lebenssitu­ation anpassen. Aufgrund der möglicherw­eise weitreiche­nden Folgen bedarf es wieder der Mitwirkung eines Notars.

Tipp: Wer einen Notar für eine Beratung zum Thema Ehevertrag braucht, ist nicht ortsgebund­en. Man kann im gesamten Bundesgebi­et einen auswählen. Die Bundesnota­rkammer bietet unter www.notar.de eine Übersicht über alle Notarinnen und Notare. Hier kann man nicht nur nach Ort, sondern auch nach Sprachkomp­etenzen entspreche­nd fündig werden.

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FOTO: DPA Wer meint, einen notarielle­n Ehevertrag brauchen nur Industriel­le, Promis oder Millionäre, der täuscht sich.

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